Das großvolumige Fachwerkgebäude der alten Bäckerei in der Obergasse 11 blickt bereits auf eine lange Vergangenheit zurück. In den 1760er Jahren am Fuße des Burgbergs erbaut, stellt es damals wie heute ein stadtbildprägendes Bauwerk für die Altstadt Felsbergs im Schwalm-Eder-Kreis dar. Seit seiner Zeit als Bäckerei wurde es auf ganz unterschiedliche Weise genutzt, beispielsweise als Tattoo Studio, türkisches Männercafé oder asiatisches Restaurant, bevor es leer stand. Im Jahr 2015 entschieden sich Sonja Clobes-Jacob und ihr Mann Christian Jacob, das historische Fachwerkgebäude zu erwerben, ihm wieder zu altem Glanz zu verhelfen und es langfristig mit neuem Leben zu füllen. Das Ehepaar entschied sich bewusst für ein historisches Gebäude, welches sie denkmalpflegerisch vorbildlich sanierten und einer Mehrfachnutzung zuführten und sich damit gleichzeitig einen langgehegten Traum erfüllten.
„Was wir hier natürlich geschaffen haben, ist ein bleibender Wert,
der uns noch überleben wird. Es handelt sich um ein Haus von 1769
und das wäre jetzt in sich zusammengefallen.“ (Christian Jacob)
„Dann habe ich zu meinem Mann gesagt, lass uns doch das alte Haus kaufen
und dann mache ich oben meine Kanzlei rein und unten soll dann das Café rein.
Weil, schon als Kind wollte ich gerne ein Café haben.“ (Sonja Clobes-Jacob)
Sonja Clobes-Jacob und ihr Mann Christian stammen ursprünglich aus Felsberg und kannten deshalb das historische Fachwerkgebäude in der Felsberger Altstadt und seine Geschichte. Beide sind in der Kleinstadt in der Stadt- und Regionalentwicklung aktiv und am Erhalt der Funktionalität Felsbergs, aber auch am Erhalt der historischen Bausubstanz interessiert. Durch ihre Tätigkeit als Vorsitzende des Haus- und Grundbesitzervereins wusste Sonja Clobes-Jacob, dass die alte Bäckerei zum Verkauf stand. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten für ihre Anwaltskanzlei. Im Juni 2015 fiel deshalb die Entscheidung für den Ankauf der Immobilie.
Die Bausubstanz war in einem schlechten Zustand. Im Innenraum fehlten zum Teil tragende Fachwerkelemente, der Gewölbekeller war teilweise einsturzgefährdet und die Außenfassade musste vorübergehend abgestützt werden.
„Das Haus war teilweise nur mit Stützen abgestützt und man konnte durchgucken,
weil ganz viele Balken verfault waren und es musste ganz viel neu eingezogen werden.“
(Christian Jacob)
Trotz des maroden Zustands renovierte das Paar, zum Teil mit einem hohen Einsatz an Eigenleistung, die alte Bäckerei in nur gut einem Jahr. Der Einzug der Kanzlei erfolgte bereits im März 2016. Im Sommer desselben Jahres folgten die Eröffnung des Cafés „Einfach nur so“ im Erdgeschoss des Gebäudes und die Vermietung der Ferienappartements im oberen Geschoss des Hauses.
Auch das benachbarte Fachwerkgebäude, in welchem sich heute ein Lädchen für Antiquitäten und das erlebnisgastronomische Restaurant „KontrastReich“ befinden, wurde von ihnen nahezu zeitgleich saniert. Die Fertigstellung erfolgte im November 2017.
Die Finanzierung der Sanierung des baufälligen Fachwerkgebäudes stellte eine Herausforderung dar. Den neuen Eigentümer*innen war es wichtig, das historische Gebäude nicht nur zu erhalten, sondern seinen ursprünglichen Zustand so gut es geht wiederherzustellen. Eine solche denkmalpflegerische Instandsetzung ist zumeist sehr aufwendig, mit erhöhten Baukosten verbunden und erfordert ein hohes Maß an Absprachen mit den entsprechenden Behörden. Vor dem Hintergrund der denkmalgerechten Sanierung wurde das Vorhaben durch die untere Denkmalschutzbehörde in Homberg (Efze) begleitet und mit Kleinförderungen der Denkmalpflege unterstützt. Den wesentlichen Teil der Finanzierung machten jedoch Mittel aus dem Städtebauförderungsprogramms „Stadtumbau West“ aus (siehe Info-Kasten). Im Jahr 2017 wurden die Bauverantwortlichen für ihre Bemühungen mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis ausgezeichnet. Diese Prämierung wurde mit dem Erhalt des Gewölbekellers und der Aufarbeitung der historischen Eingangstür aus dem frühen 19. Jahrhundert begründet. Das Preisgeld stellte einen finanziellen Zuschuss für die Sanierung dar.
Stadtumbau West war ein Bund-Länder-Programm, welches sich an Städte und Gemeinden der alten Bundesländer richtete, die vom demografischen und wirtschaftlichen Strukturwandel besonders betroffen sind. In seiner Laufzeit von 2004 bis 2016 wurden in 529 Kommunen mehr als 947 Millionen Euro an Bundesfinanzhilfen zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2017 wurde Stadtumbau West mit seinem Pendant Stadtumbau Ost zum Programm Stadtumbau zusammengelegt. Bis 2019 wurden hierüber in rund 1.120 Kommunen insg. 2.011 Maßnahmen umgesetzt. Seit 2020 werden die Förderziele des Stadtumbaus im Programm „Wachstum und Erneuerung“ weitergeführt, welches zusammen mit den beiden anderen Teilprogrammen „Lebendige Zentren“ und „Sozialer Zusammenhalt“ die aktuelle Städtebauförderung bildet. Träger der Förderung ist das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB). Das Ziel dieser Programme der Städtebauförderung war und ist es auch weiterhin, Kommunen dabei zu unterstützen, sich auf notwendige Anpassungsprozesse vorzubereiten oder auf diese zu reagieren.
Eine weitere Säule der Finanzierung bildeten LEADER-Mittel dar. Über die Region Mittleres Fuldatal bewarben sich die Bauverantwortlichen für die Förderung ihres Vorhabens, die alte Bäckerei in der Altstadt Felsbergs wiederzubeleben. Der Antrag stieß auf großen Zuspruch und der Mittelzuschlag wurde schließlich per Beschluss bewilligt.
„Das Problem von diesen ganzen Förderprogrammen ist auch, dass das dann so wie mit der Gießkanne ist.
Man darf ja keinen ausschließen und dann kriegen sie geringfügige Beträge
und können damit nicht wirklich viel machen.“ (Christian Jacob)
Laut Christian Jacob deckten die akquirierten Fördermittel zwischen 10 und 15 % des Gesamtvolumens der Sanierung. Der Hauptanteil der Ausgaben wurde aus Eigenmitteln finanziert. Hinzu kamen viele Eigenleistungen bei den Arbeiten am und im Gebäude, was zur zügigen Umsetzung und Kostenersparnis beitrug.
Die Stadt Felsberg spielte bei der Umsetzung des Vorhabens eine eher untergeordnete Rolle. In erster Linie belief sich die Mithilfe der Stadt auf die Verteilung bzw. Bewilligung der Fördermittel aus dem Städtebauförderungsprogramm „Stadtumbau West“. Die Zuständigkeit der Mittelvergabe obliegt der Stadt und die Bewilligung erfolgte durch einen Ratsbeschluss. Daneben wurde die gute und produktive Zusammenarbeit mit der unteren Denkmalschutzbehörde in Homberg als Erfolgsfaktor benannt. Christian Jacob hob vor allem die Bedeutung des mittlerweile verstorbenen Denkmalpflegers Prof. Dr. Peer Zietz – welcher auch eine besondere Rolle bei der Wiederherstellung der Synagoge Felsberg spielte – hervor.
„Aber wer wirklich ein wichtiger Kooperationspartner und großer Unterstützer gewesen ist,
das war der ehemalige Denkmalschützer für den Kreis hier, der Professor Zietz, der war super.
Auch die von der unteren Denkmalschutzbehörde, die in Homberg für die Anträge zuständig waren,
sind auch sehr kooperativ gewesen.“ (Christian Jacob)
Wie bei vielen Projekten der Regionalentwicklung war auch für die Sanierung der alten Bäckerei das Förderprogramm LEADER und die Zusammenarbeit mit dem Regionalmanagement von großer Bedeutung. Marion Karmann, Geschäftsführerin und Regionalmanagerin der LEADER-Region Mittleres Fuldatal, begleitete das Projekt von der Antragstellung bis zur Umsetzung und Abwicklung. Sie betreute und beriet die Bauverantwortlichen zu den verschiedenen Fördermöglichkeiten und unterstützte sie in den einzelnen Projektphasen. Als direkte Ansprechpartnerin für LEADER und Stadtumbau in Hessen informierte sie darüber, welche konkreten Maßnahmen förderfähig sind und welche der Förderungen in Frage kommen. Zudem half sie dabei, den teilweise sehr mühsamen Prozess der Antragstellung zu bewältigen.
Eine bedeutende – wenn nicht sogar die bedeutendste – Rolle spielte das soziale Umfeld des Paares. Familie und Freunde brachten sich sehr stark in den Umbau des Gebäudes mit ein – von der Entrümpelung über Bau- und Renovierungsarbeiten bis hin zur Vermittlung ortsansässiger Handwerker der verschiedenen Gewerke – und sorgten für ein zügiges Vorankommen des Projektes. Insbesondere die eigene Leistung und der starke Antrieb, das Projekt schnell umzusetzen, führten zur Realisierung des Vorhabens innerhalb eines Jahres.
„Also, wir haben hier selber gestrichen, wir haben selber abgerissen
und vor allen Dingen haben wir hier selber entmüllt.“ (Christian Jacob)
Die Verwurzelung in der Region und die damit verbundenen Beziehungen zu örtlichen Handwerksbetrieben war den Bauverantwortlichen ebenfalls von Nutzen. Diese wichtigen Kontakte und die schnelle Verfügbarkeit von Handwerker*innen sorgten dafür, dass Arbeiten, welche das Ehepaar und die Familie nicht allein leisten konnten, zeitnah erledigt wurden. Insbesondere ein fähiger Zimmermann sorgte schnell dafür, dass die Statik des stellenweise maroden Gebäudes stabilisiert wurde und die Fassade des Gebäudes nicht mehr einsturzgefährdet war.
Der Kauf, die Planung und die Umsetzung der Idee seien anfangs recht blauäugig angegangen worden, erinnert sich Christian Jacob, zumal sich die Unterstützung durch die Stadt Felsberg auf die Beantragung der Städtebauförderung beschränkte. Insbesondere ein engagierter Fürsprecher im Stadtrat, der die übrigen Ratsmitglieder von dem Vorhaben überzeugen konnte, spielte hierbei eine wichtige Rolle.
Eine weitere Herausforderung, die auch heute noch existiert, liegt in der Schwierigkeit, geeignete Arbeitnehmer*innen für den Betrieb des Cafés zu bekommen und vor allem langfristig zu halten. Insbesondere während und unmittelbar nach der Covid-Pandemie war es schwer, Menschen für die Arbeit in der Gastronomie zu finden. Dazu kommt die unmittelbare Nähe zur Stadt Melsungen, welche mit Firmen wie B. Braun attraktive und lukrativere Arbeitsplätze bietet. Diese Situation hat sich mittlerweile jedoch deutlich entspannt, nachdem zwei Nachbar*innen den Betrieb übernommen haben und das Café nun zuverlässig betreiben. Darüber hinaus führt die Verbundenheit der neuen Betreiber*innen mit der Stadt Felsberg zu positiver Resonanz und steigenden Besucherzahlen des Cafés.
Anfängliche Skepsis seitens der Bevölkerung begleitete die Planungs- und Umsetzungsphase des Vorhabens. Das Paar ließ sich dadurch jedoch nicht beirren und verfolgten seine Ziele weiter. Mittlerweile hat sich das Café etabliert und wird von der Felsberger Bevölkerung, aber auch von Menschen von außerhalb, gut genutzt. Durch einzelne Veranstaltungen wird das Angebot erweitert. Dazu zählt insbesondere der jährliche Weihnachtsmarkt im Innenhof des Gebäudes, der einen wichtigen Beitrag für das gesellschaftliche Miteinander in Felsberg leistet. Der Weihnachtsmarkt wird in Kooperation mit zwei anderen Gastronomen realisiert.
„Was bei uns total gut angenommen wird, ist der Weihnachtsmarkt.
Also dieser kleine Weihnachtsmarkt, da fragen die Leute das ganze Jahr über:
Macht ihr das dieses Jahr wieder?“ (Sonja Clobes-Jacob)
Die denkmalgerechte Sanierung des historischen Gebäudes, in welchem vormals eine Bäckerei beheimatet war, die Eröffnung des Cafés „Einfach nur so“ und alle weiteren Angebote stehen heute sinnbildlich für eines: Das Festhalten an einem Wunsch oder einer Idee – auch bei aufkommendem Widerstand – zahlt sich aus. Entschlossenheit, die erfolgreiche Einwerbung von Fördermitteln und die breite Unterstützung aus dem sozialen Umfeld führten letztlich zum Erfolg. Mit ihrem Café haben die Eheleute einen Ort der Begegnung geschaffen und zugleich einen wichtigen Beitrag zum Erhalt historischer Baukultur geleistet. Das historische Fachwerkgebäude in der Obergasse ist ein wichtiger Beitrag zur Innenstadtbelebung Felsbergs und soll anderen Bürger*innen als Vorbild dienen, den historischen Ortskern wieder attraktiver werden zu lassen. Kaffee und Kuchen spielen hierbei jedoch auch weiterhin eine bedeutende Rolle!
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