Die Möglichkeiten der Innenentwicklung und Leerstandsaktivierung in ländlichen Räumen sind vielfältig. Sie bergen besondere Potenziale für die nachhaltige Gestaltung und Entwicklung von Gemeinden, Dörfern und kleinen Städten. Das Erkennen dieser „Möglichkeitsräume“, die mit leerstehenden Immobilien oder Brachflächen einhergehen, ist eine wichtige Voraussetzung für die Realisierung von Projekten, die das Gemeinwohl und die Lebensqualität vor Ort bereichern. Es gibt bereits eine Vielzahl an Förderprogrammen auf Bundes- und Landesebene, derer sich Gestalter*innen der ländlichen Räume bedienen können. Welche Fördermöglichkeiten zur Verfügung stehen, wie sie konkret für die Aktivierung von Leerstand nutzbar sind und welche Erfolgsgeschichten daraus resultieren – diese Aspekte standen im Fokus der erstmalig durchgeführten „Praxistage Leerstand gestalten“ am 02. und 03. April 2025 in Ansbach.
Fast 100 Akteur*innen, die sich haupt-, ehrenamtlich oder als Privatperson für dieses Thema interessieren, kamen auf Einladung der Agrarsozialen Gesellschaft e.V. (ASG) in der Ansbacher Orangerie zusammen, um verschiedene Förderansätze zu beleuchten und gelungene Praxisbeispiele kennenzulernen. In der Spitze rund 130 Personen verfolgten die Veranstaltung parallel im Livestream. Moderiert wurde die Veranstaltung von Barbara Wunder, Expertin für Innenentwicklung und Flächensparen. Sie ist u. a. Mitglied des Präsidiums der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum.
Die Grußworte wurden gehalten von Dr. Jürgen Ludwig (Landrat des Landkreises Ansbach), Judith Conrad (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Martin Alexy (Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus). In seiner Ansprache hob der Landrat Dr. Ludwig das Spannungsfeld zwischen fehlendem Wohnraum für junge Menschen und leerstehenden Hofstellen sowie die stärkere Berücksichtigung baugestalterischer Aspekte hervor. Frau Conrad, als Vertreterin des BMEL, verwies darauf, das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung und Regionale Wertschöpfung (BULEplus) als Raum für Möglichkeiten sowie Ideen zu verstehen und ermutigte dazu, sich mit Impulsen aus der Praxis an das Bundesministerium zu wenden. Das abschließende Grußwort von Herrn Alexy betonte vordergründig die Relevanz der Themen der gleichwertigen Lebensverhältnisse sowie der Förderung der Gemeinschaft und des Zusammenhalts in den Regionen und welchen Beitrag die Dorf- und Regionalentwicklung hierbei leisten können.
Im Anschluss machte Prof. Dr. Peter Dehne (Hochschule Neubrandenburg) den Auftakt der Vortragsserie, indem er das Thema „Leerstandsaktivierung“ in den Kontext der sich verändernden Förderlandschaften zur Entwicklung ländlicher Räume einordnete. Er betonte besonders den Wandel von Konzepten der Stadt- und Dorferneuerung (Top-down), hin zu bürgerschaftlichem Engagement und gemeinwohlorientierten Ansätzen (Bottom-up), welche in der Entwicklung der
bundesweiten Förderprogrammatik an Bedeutung gewinnen. Konkrete Einblicke in die Möglichkeiten der Städtebauförderung gab Dr. Karin Veith (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung). Auch wenn dieses Instrument häufiger im (groß)städtischen Kontext zum Einsatz kommt, so profitieren auch die ländlichen Räume, die allein in den drei Jahren zwischen 2020 und 2023 rund 1,3 Mrd. Euro aus den drei Teilprogrammen „Lebendige Zentren“, „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ sowie „Sozialer Zusammenhalt“ verbuchen konnten.
Am Nachmittag stellte Josef Roßkopf (Amt für Ländliche Entwicklung Mittelfranken) die wesentlichen Instrumente der ländlichen Entwicklung für vitale Dörfer und Gemeinden vor. Dabei richtete er das Augenmerk vor allem auf die Ansätze der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) und der Dorferneuerung, die er mit anschaulichen Praxisbeispielen aus Mittelfranken unterlegte. Sehr praxisnah ging es weiter mit Andrea Denzinger (Regionalmanagerin Landratsamt Ansbach), die in ihrem Vortrag auf die „Aktionstage Innenorte“ im Landkreis Ansbach einging. Sie betonte die große Bedeutung der Innenentwicklung und zeigte auf, wie in diesem Kontext Wissenstransfer, Vernetzung und Unterstützungsangebote für die regionalen Kommunen auf kreative Weise umgesetzt werden. Anschließend lieferten Corinna Weingärtner (Studiengesellschaft für Projekte zur Erneuerung der Strukturen, SPES) und Thomas Gedemer (1. Bürgermeister Stadt Herbolzheim) einen spannenden Einblick in zukunftsorientierte Wohnmodelle für junge Erwachsene in Herbolzheim. Dabei setzt die in Baden-Württemberg gelegene Kleinstadt gezielt auf die Umnutzung von Leerständen, wobei neben bezahlbarem Wohnraum oftmals auch neue Begegnungsorte entstehen.
„Was können wir als Bürgermeister tun? Es geht um Haltung! Nicht sagen, was nicht geht, sondern was gemeinsam geht.“
Thomas Gedemer (Bürgermeister Herbolzheim)
Später am Nachmittag folgten vier weitere Praxisimpulse im kurzweiligen Pecha Kucha-Stil. Diese Vortragtechnik beinhaltet eine maximale Redezeit von 6:40 Minuten, wobei 20 Vortragsfolien jeweils 20 Sekunden eingeblendet werden. Dieser Herausforderung stellten sich Franziska Wurzinger (Flächensparmanagement Regierung von Mittelfranken), Detlef Genz (1. Bürgermeister Gemeinde Uehlfeld), Michaela Stömer und Andreas Stock („Osta51“, Krautostheim) sowie Helmut Krämer (1. Bürgermeister Gemeinde Giebelstadt).
„Die Herausforderung ist, wie wir miteinander umgehen. Entscheidungen treffen wir gemeinsam. Das ist nicht immer leicht, aber am Ende für Alle zufriedenstellender.“
Andreas Stock (Osta51)
Die vier Impulse zeigten die große Vielfalt der Möglichkeiten, die mit der Aktivierung von Leerstand einhergehen – von der Entwicklung multifunktionaler Konzepte zur Einsparung von Flächen über innovative und gemeinschaftliche Wohnformen bis hin zu neuen Orten der Begegnung und des gesellschaftlichen Miteinanders. Anschließend standen die Impulsgeber*innen an verschiedenen Stationen im Workshop-Format für vertiefende Gespräche zur Verfügung. Der Tag endete mit einem gemeinsamen Abendessen im Ansbacher Hotel „Hürner“.
Am zweiten Tag führten zwei spannende Exkursionen in die Landkreise Ansbach und Neustadt an der Aisch. Dort wurden jeweils drei Standorte besucht, die in besonderer Weise aufzeigen, wie leerstehende Objekte mit neuem Leben gefüllt werden. Die erste Exkursion ging von Ansbach in westlicher Richtung über Schweinsdorf, Neusitz und Dombühl nach Feuchtwangen. Ein Highlight war die neu gestaltete Ortsmitte am wiederbelebten Bahnhof in Dombühl, wo sich u. a. ein Dorfladen sowie das Café „GleisD“ und die gegenüberliegende ehemalige Bahnhofswirtschaft, in der nun geförderte Wohnungen angeboten wird, befinden. Die zweite Exkursion führte in nördlicher Richtung über Neuhof an der Zenn und Markt Erlbach nach Langenfeld. Hier konnten die Teilnehmer*innen beispielsweise das Mehrgenerationenhaus „Dorflinde“ in Langenfeld besichtigen und weitere Maßnahmen der Ortskernentwicklung bei einem Rundgang kennenlernen. Bei beiden Exkursionen erläuterten engagierte Praxisakteur*innen die Genese der einzelnen Projekte und gaben wertvolle Hinweise, wie eine erfolgreiche Umsetzung gelingen kann. Es wurde eindrucksvoll gezeigt, wie die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt, eine sorgfältige Planung unter Einbindung von Bürger*innen sowie mutiges Handeln und ein „langer Atem“ zu lebendigen Orten führen.
An beiden Tagen eröffneten sich den Teilnehmer*innen viele neue Perspektiven auf die Aktivierung von Leerstand. Sie konnten vorhandenes Wissen vertiefen und neue Kontakte knüpfen, die ihnen sicherlich weiterhelfen, um die so wichtige Aufgabe der nachhaltigen Innenentwicklung weiterhin mit Enthusiasmus, Weitsicht und Kreativität anzugehen. Wir danken allen Beteiligten für die sehr gelungenen „Praxistage Leerstand gestalten“. Wir sehen uns hoffentlich im nächsten Jahr wieder!
Bleiben Sie auf dem Laufenden über erfolgreiche Praxisbeispiele, Veranstaltungen, Förderprogramme rund um Leerstandaktivierung und Innenentwicklung.
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