Bei einem Besuch beim Landkreis Northeim lieferten uns Julia Gogrewe und Alexander Schramm spannende Einblicke, auf welche Art und Weise der Landkreis gemeinsam mit den Kommunen das Thema der Innenentwicklung in den Blick nimmt und die Aktivierung von Potentialflächen organisieren will. Julia Gogrewe ist gelernte Bauzeichnerin, studierte im Anschluss Architektur und ergänzte ihre Ausbildung durch einen Abschluss im Studiengang Städtebau. Sie arbeitete in freien Architektur- und Planungsbüros und absolvierte zudem das Städtebaureferendariat beim Land Nordrhein-Westfalen Danach übernahm sie verschiedene kommunale Leitungspositionen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Seit Februar 2021 ist sie Dezernentin für Bauen und Umwelt beim Landkreis Northeim. Ihr Kollege Alexander Schramm ist ebenfalls seit 2021 beim Landkreis beschäftigt. Hier war er anfangs noch im Bereich Straßenverkehr und Mobilität mit dem Schwerpunkt auf den öffentlichen Personennahverkehr tätig, bevor er im September 2022 zum internen Fördermanagement wechselte. Er ist studierter Geograf und hat im Anschluss einen Master in Regionalmanagement und Wirtschaftsförderung absolviert. Seit November 2024 ist er mit dem Projekt „Interkommunales Projekt- und Fördermanagement Aktive Innenentwicklung“ befasst.
„Dem Thema Leerstand wollten wir uns zu Beginn des Projekts gemeinsam mit den
Städten und Gemeinden intensiver widmen, haben aber schnell gemerkt,
dass wir uns damit aufgrund der Berücksichtigung des Datenschutzes verheben.
Wir wollten mit den vorhandenen Personalressourcen gemeinsam
Erfolge erzielen und der Politik den Mehrwert von Innenentwicklung
vor Außenentwicklung durch konkrete Konzepte und anschließende
Aktivierung von Innenentwicklungspotenzialen aufzeigen.
Es wurde deutlich, dass die Erhebung und Beseitigung
von Leerständen eine aufwendige Daueraufgabe darstellt,
der wir uns personell (noch) nicht stellen konnten.“
(Julia Gogrewe)
Motiviert durch eine Teilnahme an der Förderinitiative „Aktive Regionalentwicklung“ als Teil des Bundesprogramms „Region gestalten“ nahm der Landkreis Northeim bei der Erstellung eines Strategischen Regionalentwicklungskonzepts (SREK) das Thema Innenentwicklung gezielt in den Blick. Die Leerstandsthematik wird bei der Innenentwicklung stets mitberücksichtigt, stellt aber nicht den Kerninhalt des SREK dar. Bei der genauen Betrachtung der identifizierten Entwicklungspotenziale fällt aber auf, dass Innenentwicklung und die Aktivierung von minder- und untergenutzten Flächen sowie Leerstand oft Hand in Hand gehen. Eine gezieltere Betrachtung leerstehender Gebäude und den bedarfsgerechten Umgang damit verliert der Landkreis zusammen mit den Städten und Gemeinden nicht aus den Augen und arbeitet gemeinsam an praktikablen sowie nachhaltigen Lösungen. Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Modellvorhaben sowie Einblicke in die aktuelle Arbeit gewährten uns Julia Gogrewe und Alexander Schramm in einem Interview.
Das Bundesprogramm „Regionen gestalten“ vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) ging im Jahr 2019 an den Start. Das Ziel war und ist: Regionen nachhaltig und zukunftsstark zu entwickeln und regionale Disparitäten abzubauen. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) förderte das BMWSB verschiedene Modellregionen in ganz Deutschland mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten. Ein Überblick über die geförderten Modellregionen und Vorhaben befindet sich auf der Webseite von „Region gestalten“.
Für den Landkreis Northeim sind insbesondere die Förderinitiativen „Aktive Regionalentwicklung“ und „Absorptionsfähigkeit stärken“ von Bedeutung. Das Modellvorhaben „Aktive Regionalentwicklung“ wurde von 2021 bis 2024 in 16 Modellregionen durchgeführt. Adressiert waren insbesondere strukturschwache ländliche Räume. Das Ziel des Modellvorhabens war es, regionale Akteur*innen der Regionalplanung und -entwicklung stärker zu vernetzen, regionale Kooperationen zu identifizieren und zu stärken, spezifische Bedarfe der Region zu erkennen und sie mit Hilfe der Entwicklung eines Strategischen Regionalentwicklungskonzepts (SREK) gezielt zu einem Teil der regionalen Agenda zu machen.
Basierend auf dem Modellvorhaben startete die aufbauende Förderinitiative „Absorptionsfähigkeit stärken“ mit einer Laufzeit von 2024 bis 2027. Der Kerninhalt liegt im Aufbau einer effizienten Fördermanagementstruktur in der Region und somit in der Gewährleistung der Umsetzung des Strategischen Regionalen Operativen Programms (SROP), das im Zuge des Förderlaufzeitraums von jeder teilnehmenden Region erstellt werden muss. Hierbei handelt es sich um die konkreten Handlungsansätze und Maßnahmen, die sich aus den Inhalten des SREK ableiten lassen.
Wie Julia Gogrewe berichtete, befindet sich der Landkreis Northeim hinsichtlich der regionalen Entwicklung derzeit in einem Prozess der Neuausrichtung und Konzeptionierung. Dies zeigt sich vor allem in der Neuaufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) und der erstmaligen Erstellung eines Wohnraumversorgungskonzeptes. Da kam das Modellvorhaben „Aktive Regionalentwicklung“ gerade zur richtigen Zeit. Mit der Entwicklung und Formulierung des SREK konnte sich der Landkreis Northeim bereits neu justieren und Handlungsperspektiven über einen längeren Zeitraum schaffen.
Den Kern des SREK bildete die Identifizierung von Innenentwicklungspotenzialen im Landkreis, die in ein kreisweites digitales Innenentwicklungskataster überführt wurden. Demnach verfügt der Landkreis über 324 Hektar an Flächenpotenzial für die Innenentwicklung in Bebauungsplänen und innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile. Bei relativer Betrachtung bezogen auf die Einwohnerzahl haben nicht die Mittelzentren das größte Potenzial, sondern die kleineren Kommunen. Diese Arbeit erfolgte nach der Gründung des Steuerungsgremiums, in welchem u.a. Vertreter*innen aller Kommunen des Landkreises aktiv mitarbeiten. All dies führte neben der Sensibilisierung der kommunalen Akteur*innen für die Bedeutung der Innenentwicklung vor Außenentwicklung zu einem aktiven interkommunalen Innenentwicklungsmanagement für den Landkreis Northeim.
Die Nutzung des Katasters befähigt die Kommunen zu qualifizierten Aussagen über einzelne Flächen und beschleunigt sowie verbessert somit die Beratung von Kauf- und Bauwilligen. Aus dem Kataster gehen zudem die sog. „Lupenräume“ hervor, die gemeinsam mit den jeweiligen Städten und Gemeinden identifiziert wurden. Für diese Potenzialflächen gilt die Prämisse, diese bedarfsorientiert und zukunftsfähig zu entwickeln. Die für diese Flächen seitens eines begleitenden Planungsbüros entworfenen Konzeptskizzen beinhalten zumeist die Themen Wohnen, Pflege und Schaffung von Freiraumqualitäten. Insbesondere barrierefreier, oftmals gemeinschaftlich orientierter Wohnraum mit Umfeld- sowie Aufenthaltsqualität soll als Entwicklungsziel im Fokus stehen. Dadurch können Umzugsketten angestoßen werden, was zur Freisetzung von Bestandsimmobilien führt. Dies wiederum kann den Landkreis attraktiver machen, insbesondere für Familien und „Rückkehrer“.
Ein Maßnahmenvorschlag aus dem Wohnraumversorgungskonzept ist es, dass auf Ebene der Kommunen – gegebenenfalls auch interkommunal organisiert – ein Innenentwicklungs- und Sanierungsmanagement aufgebaut und etabliert wird. Die Vermeidung von dauerhaftem Leerstand und die Entwicklung von Aktivierungsstrategien für die erfassten Potenzialflächen sowie die Beratung von Eigentümern soll hierbei das Ziel sein.
Anhand des Innenentwicklungskatasters sind zunächst 16 „Lupenräume“ im Landkreis Northeim identifiziert worden. Hierbei handelt es sich um Brachflächen im Innenbereich mit und ohne Gebäudebestand, die sich für die Entwicklung von Nachnutzungs- und Umnutzungskonzepten besonders gut eignen und für den jeweiligen Ort von Bedeutung sind sowie durch eine passende Konzeption eine positive Strahlkraft für diesen entfalten können. Im SREK wurden schließlich 13 Lupenräume benannt, wovon zehn einen Schwerpunkt auf die Schaffung von Wohnraum legen. Zu den Lupenräumen zählen beispielsweise ehemalige Gewerbe- und Industriegelände, wie das Lokschuppenareal in Northeim oder die alte Käserei in Bodenfelde. Aber auch öffentliche Flächen, wie das ehemalige Schulgelände in Düderode oder landwirtschaftliche innerörtliche Brachflächen, wie in etwa in Katlenburg-Lindau, sind als Lupenräume ausgewählt worden. Die Entwicklung der minder- und oder untergenutzten Gebäude und Flächen soll im aktuellen Modellvorhaben „Absorptionsfähigkeit stärken“ vorangebracht werden. Die erstellten Konzeptskizzen wurden in jeder Kommune der Politik sowie den Eigentümer*innen – vielfach zunächst in nichtöffentlichen Sitzungen und Besprechungen – inklusive möglicher Förderzugänge vor- und der Mehrwert bei einer dementsprechenden Entwicklung dargestellt. Die Gemeinsamkeit aller Lupenräume liegt darin, dass sie sich im Innenbereich der jeweiligen Kommunen befinden. Um eine genauere Vorstellung zu bekommen, werden im Folgenden vier Lupenräume und deren Entwicklungsmöglichkeiten näher erläutert.
Bei der ehemaligen Käserei Zitzke und Mascher handelt es sich um eine Gewerbebrache in der Nähe des Bodenfelder Bahnhofs. Von der örtlichen Bevölkerung wird der Komplex mittlerweile als „vernachlässigter Schandfleck“ wahrgenommen; dennoch bietet er ein enormes Potenzial für die Nach- oder Neunutzung. Zudem hat dessen Geschichte eine identitätsstiftende Funktion für die Menschen und den Ort Bodenfelde.
Vorstellbar ist, dass eine neue, lebendige Ortsmitte entsteht. Das entsprechende Konzept beinhaltet in einem Teil der Bestandsgebäude gastronomische, kulturelle und touristische Nutzungen und angrenzend als Nachnutzung nach Abriss ein neues Wohnquartier mit vielfältigen Wohnformen und qualitätsvollen Freiräumen. So könnten im Bestand zum Beispiel ein (Mitmach-)Museum, die Beherbergung von Tourist*innen und eine (Event-)Gastronomie entstehen. Das Gelände ist in Privatbesitz. Da dieser kein Entwicklungsinteresse hat, müsste auf Basis des Konzeptes ein Käufer und Investor gefunden werden. Hierfür ist eventuell ein kommunaler Zwischenerwerb und eine anschließende Konzeptvergabe der denkbare Weg.
Im kleinen Ort Düderode befindet sich gegenüber dem Kindergarten ein brachliegendes Grundstück mit bereits an die Gemeinde veräußerter und von örtlichen Vereinen genutzter Sporthalle. Bei dem ehemaligen Schulstandort handelt es sich ebenso wie in Bodenfelde um einen der „Lupenräume“, welcher den Schwerpunkt auf die Schaffung von Wohnraum legt.
Das Gelände soll als gemeinschaftliches Wohnquartier mit multifunktionalen Gemeinschaftsflächen (innen wie außen) entwickelt werden. Durch die unmittelbare Nähe zum Kindergarten und die ruhigere Ortsrandlage bietet sich der Standort insbesondere für jüngere Familien aber auch für ein generationenübergreifendes Wohnkonzept an. Das Gelände befindet sich in Besitz des Landkreises und soll über eine Konzeptausschreibung an einen Investor vergeben werden.
Beim „Lupenraum“ in Katlenburg-Lindau handelt es sich um eine ehemalige landwirtschaftliche Fläche mit zwei Betriebsgebäuden im Privatbesitz. Das Gelände liegt mitten im Ort in der Nähe des Bahnhofs. Zudem befinden sich die Gemeindeverwaltung und Nahversorgungsangebote in fußläufiger Entfernung.
Das bisherige Konzept sieht vor, eine Begegnungsstätte und Einrichtung für Intensiv- und Palliativpflege zu errichten. Zusätzlich soll ein Mobilitätshub entstehen. Zudem soll ein Mehrgenerationen-Wohnquartier geschaffen werden. Vorgesehen ist eine Mischung aus Service- und Pflegewohnen sowie aus individuellem Wohnraum. In diesem Fall hat die Kommune bereits von ihrem geltenden Recht Gebrauch gemacht und eine Veränderungssperre für das Gelände verhängt. Mit diesem planungsrechtlichen Instrument hat sich die Gemeinde dahingehend abgesichert, dass keine – dem städtebaulichen Willen und Konzept der Gemeinde entgegenstehende Nutzung – beispielsweise durch einen Discounter – realisiert wird.
Der Eckhartsweg in Nörten-Hardenberg ist eine typische von Mischnutzung geprägte innerstädtische Fläche. Hier sind neben Wohn- und Gewerbegebäuden auch die Feuerwehr und der kommunale Bauhof angesiedelt. Die Feuerwehr soll in naher Zukunft an einen neuen Standort verlegt werden, wodurch der derzeitige Gebäudekomplex leer stehen und neugenutzt werden soll. Je nach Nachnutzungskonzeption ist auch die Umsiedlung des Bauhofs denkbar.
Geplant ist eine Nachnutzung der Bestandsgebäude durch eine Nutzungsmischung. Die Konzeptskizze sieht vor, dass ein Gewerbe- und Wohnhof mit Gründercharakter (Arbeiten und Wohnen unter einem Dach) entstehen könnte. Nicht störende Gewerbeeinheiten und Büros sollen sich zumeist in den Erdgeschossen ansiedeln, während Wohnraum für die Obergeschosse vorgesehen ist. Zusätzlich sollen im großen Umfang Flächen entsiegelt und begrünt sowie der ruhende Verkehr neu geordnet werden. Da es sich vorrangig um öffentliche Gebäude und Flächen handelt, soll die Projektentwicklung federführend von der Kommune erfolgen.
Die Vernetzung der unterschiedlichen Akteur*innen der Regionalentwicklung und die Stärkung regionaler Kooperationen waren wesentliche Zielsetzungen des Bundesprogramms „Region gestalten“. Interkommunale Zusammenarbeit und ein konstanter Austausch sind demnach ein wichtiger Bestandteil und müssen nachhaltig gepflegt werden. Ebenso sollte Innenentwicklung kooperativ auf Ebene der Kommunen und des Landkreises konzipiert und gesteuert werden. Der Landkreis sollte dabei unterstützend tätig sein, Gemeindevertreter*innen beraten und sie dazu befähigen, ihre Gemeinden zukunftsfähig zu entwickeln. Durch das Modellvorhaben wurde dieser Gedanke besonders forciert und mit dem Steuerungsgremium für ein aktives Innenentwicklungsmanagement ein Instrument geschaffen, das in der Phase der Projektlaufzeit eine sehr vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Landkreis gewährleistet hat.
„Ohne das Netzwerk – und da spreche ich jetzt von unserem Steuerungsgremium –
können wir keine nachhaltige Kreis- und Regionalentwicklung
im Hinblick auf eine aktive und bedarfsgerechte Innenentwicklung betreiben.
Dieses geht nur im Schulterschluss der regionalen Akteure und Entscheidungsträger.
Wir als Landkreis verstehen uns als Dienstleister und Partner
für unsere Städte und Gemeinden. Nur gemeinsam gelingt es,
den Landkreis zukunftsfähig zu gestalten.“
(Julia Gogrewe)
Im Hinblick auf die Entwicklungsschwerpunkte in der Region musste das Netzwerk sinnvoll durch weitere Akteur*innen ergänzt werden. Hierzu zählen beispielsweise die Handwerks- sowie die Industrie- und Handelskammer (IHK), Finanzinstitute oder das Amt für regionale Landesentwicklung (ArL) und die Südniedersachsenstiftung. Einen weiteren wichtigen Akteur aus der Region stellt das Fachwerk5Eck dar. Näheres zu der Arbeit dieser Initiative lässt sich in einem separaten Artikel unseres Blogs erfahren. Wesentliche Aspekte des Austauschs innerhalb des Netzwerks sind beispielsweise die Identifizierung gemeinsamer Bedarfe und erforderlicher Qualitäten sowie von Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten, die Klärung von Zuständigkeiten oder aber die Verteilung der Aufgaben. Ein wichtiges Ziel besteht darin, Doppelstrukturen zu vermeiden und stattdessen durch interkommunale Zusammenarbeit und Aufbau von Netzwerken Synergien zu erschließen.
Auch der bundesweite Austausch mit anderen Landkreisen und Regionen spielt eine bedeutende Rolle. Im Vordergrund steht hierbei der Wissenstransfer, Best Practice Beispiele und die Vorstellung der Erkenntnisse aus den Modellvorhaben. So wurde beispielsweise das SREK beim benachbarten Landkreis Göttingen vorgestellt, da die Ausgangssituationen beider Landkreise sehr ähnlich sind. Darüber hinaus resultierte die Teilnahme am Bundesprogramm „Regionen gestalten“ in einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit anderen Modellregionen. Aber auch das Voneinander-Lernen sowie die Diskussion der eigenen Fortschritte und Herausforderungen werden in diesem Kontext explizit erwähnt und als sehr bereichernd angesehen.
Wie viele andere Regionen in Deutschland befindet sich auch der Landkreis Northeim in einem strukturellen Wandel. Nach der Typologie des Thünen-Instituts ist der Landkreis sehr ländlich mit einer weniger guten sozioökonomischen Lage. Dies lässt sich anhand einiger Aspekte deutlich erkennen; beispielsweise sind vielerorts die demografische Alterung und ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen. Solche Phänomene nehmen unmittelbaren Einfluss auf die Bedarfe der jeweiligen Stadt oder Gemeinde, müssen in Planungsprozessen berücksichtigt werden und wirken sich zudem auf die Entwicklungspotenziale aus. Die Möglichkeit zur Aktivierung von Brachflächen und leerstehenden Gebäuden ist in diesem Kontext besonders hervorzuheben.
Wesentliche Herausforderungen im Bereich der Regional- und Kreisentwicklung stehen in Verbindung mit den unterschiedlichen Verwaltungsebenen. Die Arbeit von Julia Gogrewe und ihrem Team zeigt, dass eine sensible sowie passgenaue Ansprache der Städte und Gemeinden und eine Begegnung auf Augenhöhe unerlässlich für eine gute Zusammenarbeit sind. Insbesondere Ortsbürgermeister*innen sehen sich oftmals in ihrer Ortsentwicklung eingeschränkt, wenn sie das Gefühl haben, dass der Landkreis sich als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde zu sehr in die kommunalen Belange einmischt. Hierbei ist vor allem die kommunale Planungshoheit zu berücksichtigen. Die Kreisverwaltung hat jedoch ein starkes Interesse daran, dass minder-und untergenutzte Grundstücke und Gebäude mit städtebaulichen Missständen auf der Stadt- und Gemeindeebene in den Blick genommen und dessen bedarfsgerechte und qualitätvolle Nachnutzung aktiv angegangen wird. Dabei sollte der Landkreis stets die Rolle eines Dienstleisters einnehmen.
„Wir haben den Kommunen immer gesagt, ihr seid die örtlichen Experten,
welche Flächen wollt ihr mit welchem Ziel entwickeln?
Wir als Landkreis sehen uns als Dienstleister – so dass deutlich wurde,
dass wir nicht in die Planungshoheit der Städte und Gemeinden eingreifen,
sondern sie hierbei aktiv beraten und unterstützen wollen.“
(Julia Gogrewe)
Auf der Umsetzungsebene ergeben sich jedoch rechtliche Erschwernisse. So stellt die Datenschutz-Grundverordnung eine Hürde für das digitale Innenentwicklungskataster des Landkreises dar, die zu einem erheblichen Mehraufwand führt. Der Landkreis muss sich an dieser Stelle als Dienstleister für die Städte und Gemeinden absichern und kann seine theoretisch vorhandenen Möglichkeiten nicht ohne Weiteres nutzen. Diese explizite Absicherung und Abgrenzung, dass der Landkreis durch das Führen des Katasters lediglich eine reine Dienstleistung erbringt, erfolgt durch den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen. Die direkte Ansprache der Eigentümer*innen von potenziellen Entwicklungsflächen und -objekten erfolgt wiederum durch die Kommunen. Diese dient dazu, das Einverständnis für die Aufnahme in das Kataster zu erhalten und somit auch die diesbzgl. Informationen sichtbar zu machen.
Das Modellvorhaben im Landkreis Northeim zeigt einen ganzheitlichen und strategisch gut durchdachten Ansatz zur Innenentwicklung und Leerstandsbewältigung in einer strukturell herausgeforderten ländlichen Region. Mit dem Strategischen Regionalentwicklungskonzept (SREK) und einem kreisweiten digitalen Innenentwicklungskataster wurden wichtige Instrumente geschaffen, die eine bedarfsorientierte Aktivierung von Flächenpotenzialen ermöglichen. Die gezielte Identifikation von „Lupenräumen“ und die Konzeptskizzen zur Nachnutzung zeigen konkrete Entwicklungsperspektiven, insbesondere für gemeinschaftliches und barrierefreies (sowie öffentlich gefördertes) Wohnen mit sowohl städtebaulichen als auch Freiraum- und Aufenthaltsqualitäten.
Besonders hervorzuheben ist die kooperative Arbeitsweise zwischen Landkreis und Kommunen, die auf gegenseitigem Vertrauen, klarer Rollenverteilung und unterstützender Begleitung basiert. Die Vernetzung mit regionalen und überregionalen Partnern sowie der kontinuierliche Wissenstransfer stärken die regionale Entwicklung zusätzlich. Trotz der Herausforderungen, wie rechtliche Hürden oder dem sensiblen Umgang mit Leerstand, gelingt es dem Landkreis, durch transparente Kommunikation und Beteiligung der Eigentümer*innen die regionalen Potenziale zu aktivieren, ohne die kommunale Planungshoheit der Städte und Gemeinden zu tangieren.
Insgesamt steht der Landkreis Northeim beispielhaft für den vorausschauenden Umgang mit dem demografischen Wandel und den strukturellen Veränderungen in ländlichen Räumen. Durch strategische Planung, Vernetzung und partizipative Prozesse hat der Landkreis eine vielversprechende Grundlage geschaffen, um spezifische Bedarfe der kreisangehörigen Kommunen zu bedienen – und somit die regionale Entwicklung auf lange Sicht positiv zu gestalten.
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