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Ein Schreibtisch für die Region – wie Prüm mit einem Coworking-Space im ländlichen Raum neue Wege geht

Ein Schreibtisch für die Region

Wie Prüm mit einem Coworking-Space im ländlichen Raum neue Wege geht

Wer das frühere Verwaltungsgebäude des alten Kreiswasserwerks in Prüm betritt, spürt noch den „Charme“ vergangener Behördenzeiten: graue Flure, schwere Türen, ein Hauch von Aktenstaub in der Luft. Doch hinter der Tür im zweiten Obergeschoss öffnet sich ein ganz anderer Raum. Helle Schreibtische, Pflanzen, gedämpfte Gespräche, leises Tastaturklappern. Hier, wo jahrelang niemand arbeitete, hat die Zukunft Einzug gehalten.

Der „Schreibtisch in Prüm“ wirkt auf den ersten Blick unspektakulär. Acht Arbeitsplätze, ein Besprechungsraum, eine Kaffeeküche, solide technische Ausstattung. Kein Startup-Hochglanz, keine hippe Inszenierung. Und doch erzählt dieser Ort davon, wie eine ländliche Region Zukunft gestaltet – pragmatisch, mutig und mit einem tiefen Verständnis für das, was Menschen brauchen, um gut leben und arbeiten zu können. Dass der Coworking-Space hier entstanden ist, war weder Zufall noch das Ergebnis eines strategischen Fahrplans. Es begann – wie so vieles in ländlichen Räumen – mit einem guten Gespräch.

Die Idee entsteht – ein urbanes Konzept trifft auf ländliche Realität

Als die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz 2015 mit ihrem Projekt „Digitale Dörfer“ erstmals begann, sich mit ländlichen Coworking-Modellen zu befassen, war die Grundfrage klar: Wie lässt sich der Alltag der Menschen in ländlichen Räumen durch digitale Arbeitsformen verbessern? In vielen Gemeinden in Rheinland-Pfalz waren die Arbeitsplätze weit entfernt mit entsprechend langen Pendelwegen. Gleichzeitig wuchsen die Leerstände aufgrund von demographischen und/oder wirtschaftsstrukturellen Verwerfungen. Die Idee in Richtung Coworking reifte schließlich auch durch inspirierende Beispiele aus anderen Ländern: Kleine Arbeitsräume in irischen Dörfern, multifunktionale Arbeitsplätze in Frankreich oder in Skandinavien zeigten, dass Coworking nicht nur ein urbanes, sondern auch ein ländliches Instrument sein kann.

Im Jahr 2016 kam diese Erkenntnis endgültig in Prüm an und das Projekt nahm Fahrt auf. Bei einem Vorgespräch mit Bürgermeister Aloysius Söhngen zeigte sich schnell, dass die Verbandsgemeinde ein idealer Standort für ein solches Modellprojekt war. Prüm war geprägt von vielen Auspendelnden, die weite Strecken zurücklegen mussten – nach Luxemburg, nach Köln, nach Bonn. Ein lokaler Arbeitsplatz –  flexibel nutzbar, technisch gut ausgestattet und klar von der eigenen Wohnsituation getrennt – schien hier enormes Potenzial zu bieten. Gleichzeitig stand das ehemalige Wasserwerksgebäude leer: zentral gelegen, gut erreichbar, mit ausreichend Parkmöglichkeiten. Ein Ort, der darauf wartete, wieder gefüllt zu werden.

„Die Idee entstand, weil klar war: Viele Menschen pendeln täglich weit.
Und Prüm kann mehr sein als Ausgangspunkt für lange Arbeitswege.“
(Julia Schmitz
)

Dass das Modellvorhaben überhaupt nach Prüm kam, lag schließlich an einem Förderaufruf der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz. Die Verbandsgemeinde bewarb sich nicht aktiv, sondern wurde direkt in Gespräche eingebunden. Das Projekt wurde zunächst der Kreisverwaltung vorgestellt, anschließend dem Kreisausschuss, der über die Bereitstellung der Räume entscheiden musste. Von Beginn an war klar: Die Entwicklungsagentur würde in der Modellphase die Trägerschaft übernehmen – inklusive Betriebskosten, Öffentlichkeitsarbeit und Verwaltungsaufwand. Die Verbandsgemeinde stellte Ansprechpartner*innen vor Ort und begleitete den organisatorischen Rahmen, ohne eigene Kosten tragen zu müssen.

Vom Leerstand zum Arbeitsraum – wie aus einer Idee ein Ort wird

Nach den ersten Gesprächen im Frühjahr 2016 ging es vergleichsweise schnell. Vertreter*innen von Verbandsgemeinde, Kreisverwaltung und Entwicklungsagentur legten gemeinsam fest, wie die Räume genutzt und ausgestattet werden sollten. Anfang 2017 begann die Einrichtung: Böden wurden erneuert, Möbel aufgebaut, die technische Infrastruktur verlegt. Die Räume waren in gutem Zustand, sodass der Umbau zügig voranging.

Parallel startete die Öffentlichkeitsarbeit. Der „Schreibtisch in Prüm“ wurde in der Prümer Rundschau, im Trierischen Volksfreund und auf den digitalen Kanälen der Verbandsgemeinde angekündigt. Auf der Grenzlandschau und beim „Prümer Sommer“ informierte die Entwicklungsagentur an Infoständen über die neuen Arbeitsmöglichkeiten. Der Coworking-Space war von Beginn an sichtbar – und er wurde verstanden als etwas, das den Alltag der Menschen in Prüm tatsächlich erleichtern konnte.

„Der Startschuss fiel sehr früh – und sehr entschlossen.
Es war klar: Das ist eine Chance, die wir nutzen müssen.“
(Marcel Palms)

Nur wenige Wochen nach dem ersten Austausch wurde das Projekt dem Kreisausschuss vorgelegt. Der Kreis stellte die Räume mietfrei zur Verfügung, die Entwicklungsagentur übernahm als Trägerin die gesamte Verantwortung für Kosten, Betrieb und Nutzerverwaltung. Die Verbandsgemeinde stellte lokale Ansprechpartner*innen. Was andernorts jahrelang dauert, geschah hier in wenigen Monaten. Im Juli 2017 wurde der Coworking-Space eröffnet. Vier Büros mit jeweils zwei Arbeitsplätzen, ein Besprechungsraum, eine kleine Kaffeeküche – funktional, freundlich, solide.

Der Anfang: Aufbau eines Nutzerkreises und die Frage der Akzeptanz

Wie bei vielen neuen Konzepten in ländlichen Räumen ging es in den ersten Monaten vor allem darum, Vertrauen aufzubauen. Wer sollte überhaupt kommen? Welche Berufe würden das Angebot nutzen? Und wie viel Nachfrage würde sich tatsächlich entwickeln? Doch die ersten Buchungen ließen nicht lange auf sich warten. Bereits nach wenigen Wochen waren die ersten Schreibtische vergeben und bis 2019 wuchs die Zahl der regelmäßigen Nutzer*innen auf vier – eine stabile Auslastung von 50 Prozent in einem jungen Projekt, das erst dabei war, sich im Alltag der Region zu verankern.

Die Nutzer*innen kamen zumeist aus Berufen, in denen digitale Arbeit flexibel möglich ist: IT, Projektmanagement, Coaching, Grafikdesign, Außendienst, Start-ups oder Beratung. Einige arbeiteten für Arbeitgeber in Ballungsräumen, andere waren selbstständig. Gemein war ihnen das Bedürfnis nach einer professionellen Arbeitsumgebung, die zugleich wohnortnah gelegen ist.

Die Pandemie – und ein Raum, der plötzlich unverzichtbar wurde

Als im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie ausbrach und viele Arbeitnehmer*innen ins Home Office zwang, wurde Coworking in Prüm plötzlich zu einer echten Alternative. Lange Pendelstrecken nach Luxemburg, Belgien oder Köln ließen sich durch ein oder zwei Tage Arbeit im Coworking-Space ersetzen. Besonders Menschen, die zu Hause kein Arbeitszimmer hatten bzw. nicht in Ruhe arbeiten konnten, fanden hier einen verlässlichen, professionellen Arbeitsort.

„Viele wollten einfach einen klaren Ort zum Arbeiten.
Nicht Küche, nicht Esstisch, nicht Kinderzimmer.“
(Julia Schmitz)

Während der Pandemie war der „Schreibtisch in Prüm“ fast durchgehend ausgelastet. Doch auch nach dem Ende der Kontaktbeschränkungen blieb die Nachfrage überraschend hoch. Viele Nutzer*innen merkten, dass die direkte Trennung von Arbeits- und Privatleben – ein professionelles Büro ohne häusliche Ablenkungen – einen Mehrwert schuf, den das Home Office allein nicht bieten konnte. Heute sind sechs der acht Arbeitsplätze dauerhaft belegt. Die durchschnittliche Nutzungsdauer liegt bei etwa einem Jahr. Ein Coworker jedoch hat den Raum seit sieben Jahren zu seinem zweiten beruflichen Zuhause gemacht.

Warum Menschen bleiben – und was der „Schreibtisch“ ermöglicht

Heute zeigt sich die Vielfalt der Nutzung besonders deutlich. Menschen aus der Region nutzen den Space, um konzentriert arbeiten zu können. Andere kommen aus den belgischen Grenzorten, weil in Prüm der nächstgelegene professionell ausgestattete Arbeitsplatz ist. Viele sparen Zeit und Kosten, weil sie ihre Pendelwege reduzieren. Und fast alle berichten davon, wie sehr ihnen die klare Trennung zwischen Arbeits- und Familienleben hilft.

„Der Schreibtisch in Prüm ist ein kommunales Angebot,
das Menschen im Alltag wirklich entlastet.“
(
Marcel Palms)

Ein Nutzer arbeitet seit sieben Jahren regelmäßig im Space – ein Zeichen dafür, dass der Schreibtisch nicht nur ein kurzfristiges Modell, sondern ein langfristig tragfähiges Angebot ist. Gleichzeitig zeigt die durchschnittliche Nutzungsdauer von etwa einem Jahr, dass Coworking im ländlichen Raum genau jene Flexibilität bietet, die moderne Arbeitswelten verlangen.

Finanzierung als kommunale Aufgabe – ein Angebot, das sich nicht rechnet und dennoch wirkt

Der „Schreibtisch in Prüm“ ist kein gewinnorientiertes Projekt. Die Verbandsgemeinde zahlt zwar keine Miete an den Kreis, dennoch entstehen laufende Kosten für Reinigung, Heizung, Wasser, Energie, Pflege und Ersatzbeschaffungen. Die Einnahmen durch die vergleichsweise niedrigen Nutzungspreise decken diese Ausgaben bewusst nicht vollständig ab.

„Wir zahlen drauf, aber das, was wir
zurückbekommen, ist den Einsatz wert.“
(Julia Schmitz)

100 Euro pro Monat für einen festen Platz oder 50 Euro für ein wöchentliches Tagesticket machen das Angebot niedrigschwellig und erschwinglich. Dadurch wird deutlich: Der „Schreibtisch“ ist ein Teil der kommunalen Daseinsvorsorge – kein Geschäftsmodell, sondern ein Beitrag zur Aufenthalts- und Lebensqualität in der Region.

Bis 2023 lag die Trägerschaft vollständig bei der Entwicklungsagentur. Danach übernahm die Verbandsgemeinde das Projekt, um es dauerhaft weiterzuführen. Mit diesem Schritt wurde der „Schreibtisch“ endgültig zu einem kommunalen Angebot, das in Prüm verankert ist. Julia Schmitz und Marcel Palms, die bei der Verbandsgemeinde im selben Büro arbeiten, haben das Projekt quasi geerbt – und führen es heute mit spürbarem Engagement. Beide sind in der Region verwurzelt und erleben in ihrem Alltag, wie sehr der Coworking-Space die Lebenssituation vieler Menschen verändert.

„Wir sehen, was es für die Leute bedeutet – das motiviert.“
(
Julia Schmitz)

 

Herausforderungen und Hindernisse: Nachfrage, Raumangebot und Prozesse

Wie fast alle Coworking-Spaces in ländlichen Regionen spürt Prüm die Volatilität der Nachfrage: Pandemie und Großprojekte (etwa Glasfaser-Ausbau) sorgten zeitweise für Vollauslastung, danach folgte eine ruhigere Phase. Aktuell stabilisiert sich die Belegung – ohne Warteliste, aber mit stetigen Anfragen. Nicht jede passt: Lagerwünsche oder publikumsintensive Angebote stören die Arbeitsruhe und sprengen die vertraglichen Rahmenbedingungen.

„Wir dürfen vertraglich nur diese Etage nutzen – unten geht nichts.“
(Marcel Palms)

Räumlich gibt es Grenzen: Die Verbandsgemeinde darf vertraglich nur die aktuelle Etage nutzen; Flächen darunter sind nicht verfügbar. Eine Erweiterung wäre erst sinnvoll, wenn die bestehende Etage dauerhaft voll belegt ist – und wenn die Nachfrage strukturell statt temporär steigt. Zuständigkeiten im Team wurden nach Personalwechseln neu sortiert; kurzfristige Klärungen können dadurch punktuell zäher werden.

„Es kommen Anfragen – aber Lagerung und hoher
Publikumsverkehr passen nicht zu unserem Profil.“
(Julia Schmitz)

Ein kleines Projekt mit großer Wirkung – Prüm zeigt, wie Wandel gelingen kann

Auch sieben Jahre nach seiner Eröffnung bleibt der „Schreibtisch“ bewusst klein. Eine Erweiterung wird erst dann diskutiert, wenn alle Plätze dauerhaft ausgelastet sind – was aktuell nicht der Fall ist. Die Mischung aus Beständigkeit und Flexibilität macht den Space gerade für ländliche Regionen attraktiv, denn hier geht es weniger um Skalierung als um Wirkung.

„Es geht nicht darum, groß zu werden.
Es geht darum, nützlich zu sein.“
(Julia Schmitz)

Der „Schreibtisch in Prüm“ ist kein hipper Leuchtturm, sondern ein verlässliches, leises Angebot im Drei-Länder-Eck Deutschland-Belgien-Luxemburg – und gerade deshalb wirksam. Das Angebot bindet Kaufkraft, verkürzt Pendelwege, schafft einen professionellen Rückzugsort für Home Office-Tage und hält die Region für Rückkehrer*innen attraktiv. Öffentlichkeitsarbeit bleibt pragmatisch: Amtsblatt, ein großes Banner im Eingangsbereich, Stoffbeutel mit Logo, Social-Media-Posts (Instagram/Facebook) und eine gepflegte Web-Präsenz. Der Besprechungsraum bleibt für externe Treffen buchbar, solange die Arbeitsruhe gewahrt ist.

„Erst stabil auslasten, dann über Erweiterung sprechen.
Coworking hier ist ein Baustein der
Daseinsvorsorge – kein Selbstzweck.“
(Marcel Palms)

Strategisch setzt die Verbandsgemeinde auf Konsolidierung statt Expansion: Erst wenn die obere Etage vollständig und dauerhaft ausgelastet ist, werden Erweiterungsoptionen geprüft. Parallel sollen Entstehungsgeschichte und Förderdetails aus der Vor-Corona-Phase dokumentiert und nachgereicht werden. Das Monitoring der Nachfrage läuft weiter – pragmatisch, nah an den realen Anfragen.

Prüm zeigt mit diesem Projekt, wie zeitgemäße kommunale Entwicklung sein kann, wenn sie nah an den Menschen bleibt. Der „Schreibtisch“ ist ein kleiner Raum – doch er verändert Wege, Tagesabläufe, Wohnentscheidungen und Perspektiven. Und vielleicht erzählt dieser Ort damit auch eine größere Geschichte: dass Zukunft in ländlichen Regionen oft dort beginnt, wo Freiräume sind – und Menschen bereit sind, diese neu zu denken.

Eifel

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Ein historisches Pfarrhaus als Anker der medizinischen Versorgung – Mehren/Vulkaneifel als gelungenes Beispiel für die kooperative Sicherung daseinsvorsorgender Infrastruktur

Ein historisches Pfarrhaus als Anker der medizinischen Versorgung

Mehren/Vulkaneifel als gelungenes Beispiel für die kooperative Sicherung daseinsvorsorgender Infrastruktur

Als der letzte Pfarrer Ende 2019 das barocke Pfarrhaus im rheinland-pfälzischen Mehren/Vulkaneifel verließ, stand das Gebäude plötzlich leer – und mit ihm eine über Jahrhunderte gewachsene Verbindung zwischen dem Dorf, den dort lebenden Menschen und der Kirche. Leerstand wäre die einfachste Lösung gewesen. Doch Mehren entschied anders: Statt aufzugeben, begann die Kath. Kirchengemeinde, Zukunft zu bauen. Zur selben Zeit nämlich suchte die Allgemeinmedizinerin Christel Werner neue Räumlichkeiten. Ihre bisherige Praxis im Dorf war mittlerweile zu klein geworden, die Mietverträge liefen aus und die Zeit drängte. So kreuzten sich die Wege und es entstand ein Projekt, das bis heute beispielhaft für die Sicherung der medizinischen Versorgung in ländlichen Räumen steht.

„Wir wollten nicht nur ein Gebäude retten, sondern Versorgung sichern.
Und das mitten im Dorf, nicht am Rand.“
(Roland Thelen
)

Hausärztin Christel Werner mit Architekt und Verwaltungsratsmitglied Roland Thelen
Die Vorderansicht des alten Pfarrhauses von der Hauptstraße aus

Christel Werner kennt Mehren seit Jahren, sie arbeitete hier bereits seit dem Jahr 2010 und übernahm sechs Jahre später die Praxis ihres Vorgängers. Weggehen war keine Option, im Gegenteil: „Ich war hier angekommen“, sagt sie. Ihre Entscheidung, weiterhin vor Ort zu bleiben, war Ausgangspunkt für ein Vorhaben, das schließlich kirchliche Trägerschaft und kommunale Verantwortung auf innovative Weise verbindet. Das Ergebnis: ein denkmalgeschütztes Pfarrhaus, das heute eine Arztpraxis beherbergt – mit Charakter und Strahlkraft.

„Ich habe immer gedacht: Wenn ich das hier mache, dann richtig.
Und wenn das Projekt gelingt, ist es ein Gewinn für alle.“

(Christel Werner)

In den Räumlichkeiten des alten Pfarrhauses ist neben modernen Behandlungsräumen der Charme des Gebäudes bei der Umnutzung erhalten geblieben

Durch Engagement, Kooperation und gezielter Förderung zum Erfolg – ein gelungenes Zusammenspiel von Kirche, Kommune, einer engagierten Hausärztin und Drittmittelgebern

Was heute selbstverständlich wirkt, war zunächst eine ungewöhnliche Idee. Die Kirchengemeinde hätte auch anders entscheiden können. Doch da war jemand, der eine Vision hatte und zugleich wusste, wie man sie umsetzt: Roland Thelen, Verwaltungsratsmitglied und Architekt, der seit Jahrzehnten kirchliche Bauprojekte begleitet.

Zunächst hatte die Ortsgemeinde verschiedene Gebäude anhand des vorliegenden Dorfentwicklungskonzeptes geprüft– aber ohne Ergebnis. Erst ein Gespräch im richtigen Moment brachte die Lösung: das Pfarrhaus. Es handelt sich um einen Ort mit Geschichte, mitten im Dorfkern, gut erreichbar, mit genügend Potenzial für einen zeitgemäßen Praxisbetrieb.

„Das Entscheidende war, dass wir nicht lange diskutiert, sondern sofort gehandelt haben. Der Leerstand war Chance, nicht Risiko.“
(Roland Thelen
)

Doch kirchliche Mittel waren ausgeschlossen, da es sich nun um eine wirtschaftliche Nutzung handelte. Thelen plante, rechnete – und identifizierte das LEADER-Programm als entscheidenden Hebel. Mit 175.000 Euro EU-Förderung und einem klaren Finanzierungskonzept konnte das Pfarrhaus mit veranschlagten Gesamtbaukosten von 375.000 € umgebaut werden. Die Kirchengemeinde als Eigentümerin und Bauherrin schloss nun mit der Verbandsgemeinde Daun als Hauptmieterin den langfristigen Mietvertrag – eine Voraussetzung für Kreditsicherheit und Zuschuss.

„Die Verbandsgemeinde hat verstanden: Ohne ärztliche Versorgung verliert ein Ort seine Mitte. Und sie hat Verantwortung übernommen.“
(Roland Thelen
)

Christel Werner mietete mit ihrer Arztpraxis wiederum unter – flexibel, aber verbindlich genug, um langfristig planen zu können. So entstand eine partnerschaftliche Dreierkonstruktion, die Kosten, Risiko und Verantwortung klug verteilt.

„Dass die Verbandsgemeinde hinter uns steht, gibt Sicherheit. Es ist ein Modell, das Schule machen kann.“
(Christel Werner
)

Die neue Nutzung des alten Pfarrhauses in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche bringt nicht nur Leben zurück in das Gebäude, sondern auch in den Ortskern

Herausforderungen und Hindernisse für die medizinische Versorgung – die Realität ländlicher Daseinsvorsorge in Deutschland

Der Umbau selbst stellte weniger ein Problem dar. Es war ein ortsangepasster, respektvoller Eingriff. Tragende historische Elemente wie die Kölner Decken blieben erhalten; ein moderner Kubus als Anbau an der Gebäuderückseite ergänzt das Ensemble. Die Praxis funktioniert barrierefrei, kompakt, effizient, patientennah. Eine Belastung war hingegen der bürokratische Aufwand: Denkmalschutzauflagen, Ausschreibungen, Förderrichtlinien, Abrechnungsprüfungen. Insbesondere die förderrechtliche Feinarbeit bis zur letzten Rechnung wirkte hinderlich. Kleine Abweichungen führten zu Rückforderungen, denn die Sanierung und der Umbau von Alt- oder Bestandsbauten lassen sich nicht immer vollständig vorhersehen.

„Bei historischen Gebäuden sieht man manche Dinge erst,
wenn man die Wände öffnet. Trotzdem mussten
alle Arbeitsschritte haargenau nachgewiesen werden.“
(Roland Thelen
)

Während Umbau und Finanzierung grundsätzlich planbar waren, blieb die Versorgungslage die eigentliche Herausforderung. Landarztpraxen sind heute Knotenpunkte in einem System, das vielerorts überlastet ist: Fachärzte fehlen, Krankenhausstandorte schließen, Telemedizin ergänzt, ersetzt aber nicht und Papierarbeit nimmt Überhand. Christel Werner beschreibt es ruhig, aber klar: Das Problem ist strukturell, nicht individuell.

„Die fachärztliche Versorgung ist eine Katastrophe.
Wir improvisieren täglich – aber die Menschen brauchen
echte Zugänge, nicht nur Geduld.“

(Christel Werner)

Auch Nachwuchsgewinnung ist schwierig: Viele junge Ärzt*innen möchten angestellt arbeiten, nicht allein Verantwortung tragen. Es zieht sie oftmals in größere Kliniken – und damit in die urbanen Räume. Dennoch hat Mehren Antworten gefunden: Ausbildung, Teamaufbau, Delegation durch qualifizierte Medizinische Fachangestellte (MFAs), familiäre Patientenbindung, ergänzende Telemedizin.

„Bürokratie ist heute oft der größte Feind der Medizin.
Und trotzdem mache ich es einfach – jeden Tag aufs Neue.“

(Christel Werner)

 

Vom Leerstand zur daseinsvorsorgenden Infrastruktur – ein Modell für Orte mit Mut und Weitsicht

Mehren hat mit dem Pfarrhausprojekt nicht nur eine neue Arztpraxis geschaffen. Der Ort hat gezeigt, wie Versorgung in ländlichen Räumen gelingen kann: durch frühzeitiges Handeln, ein starkes Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft, ungewohnte Partnerschaften einzugehen. Die Praxis ist heute medizinischer Anlaufpunkt, sozialer Treffpunkt – und ein Symbol dafür, dass Dörfer Zukunft bauen können, wenn sie freie Räume intelligent nutzen.

„Gesundheit gehört in die Mitte des Dorfes.
Und Orte, die das begreifen, gewinnen Zukunft.“

(Roland Thelen)

Christel Werner wird – wie sie selbst sagt: „so Gott will“ – bis zum Jahr 2030 praktizieren. Schon jetzt sorgt das Team dafür, dass Kontinuität gesichert bleibt, dass nächste Generationen eingebunden werden und dass einerseits die Versorgung am Wohnort entscheidend ist, die richtige Haltung jedoch noch viel entscheidender ist.

„Ich habe immer gesagt: Wenn ich hier bin, dann bleibe ich auch für die Menschen.
Und das mache ich so lange, wie ich kann.“

(Christel Werner)

Das Pfarrhaus in Mehren zeigt: Es braucht kein spektakuläres Konzept, um Wirkung zu entfalten. Es braucht Klarheit, Kooperation, Vertrauen – und Menschen, die das, was möglich ist, tatsächlich tun. In Zeiten knapper Ressourcen ist das vielleicht die wertvollste Ressource überhaupt: Entschlossenheit.

Bei der Umnutzung des alten Pfarrhauses wurde sich bei der Ergänzung des Gebäudes bewusst für einen modernen Anbau entschieden
Im Eingangsbereich der Praxis erinnert die LEADER-Tafel an die erfolgreiche Umsetzung des Projekts in Mehren
Eifel

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Mit Citymanagement dem Leerstand in der Innenstadt erfolgreich entgegentreten. Erfahrungen aus der mittelfränkischen Kleinstadt Heilsbronn

Mit Citymanagement dem Leerstand in der Innenstadt erfolgreich entgegentreten

Erfahrungen aus der mittelfränkischen Kleinstadt Heilsbronn

Heilsbronn zählt mit seinen rund 9.700 Einwohner*innen, die überwiegend im Stadtgebiet, aber auch in den 17 angebundenen Dörfern und Weilern leben, zu den vier größten Gemeinden im Landkreis Ansbach. Die Stadt blickt auf eine lange Geschichte zurück. Seit dem frühen 12. Jahrhundert war es ein bedeutendes Zisterzienserkloster, welches maßgeblich zur Entwicklung der Stadt beitrug. Heute stellt Heilsbronn eines der wichtigsten Grundzentren im Landkreis dar.

Im Gespräch mit dem 1. Bürgermeister der Stadt Dr. Jürgen Pfeiffer und dem Leiter des Fachbereiches Bürgerservice, Planen und Bauen Tobias Christ haben wir uns über die kommunale Innenentwicklung und die Bedeutung von Leerständen in Heilsbronn unterhalten. Der promovierte Betriebswirtschaftler Dr. Jürgen Pfeiffer ist seit 2008 im Amt des Bürgermeisters der Stadt. Tobias Christ ist Diplom-Verwaltungswirt und seit zehn Jahren als Fachbereichsleiter in Heilbronn tätig und seitdem für die Stadtentwicklung mitverantwortlich. Beide lieferten uns Einblicke in die Ausgangslage der Stadt Heilsbronn, die aktuelle Situation hinsichtlich des Leerstands sowie den konkreten Ansatz der Innenentwicklung, den die Kommune verfolgt.

1. Bürgermeister Dr. Jürgen Pfeiffer und Fachbereichsleiter Bürgerservice, Planen und Bauen Tobias Christ im Rathaus Heilsbronn

Zwischen Münster und Marktplatz: Historisches Erbe und lebendige Innenstadt – wie Heilsbronn sein Stadtbild pflegt

Aufgrund seiner weitreichenden Geschichte findet sich in Heilsbronn eine Vielzahl historischer Gebäude. Hierzu zählt insbesondere das imposante Münster als stadtbildprägendstes Bauwerk. Aber auch die Spitalkapelle, die alte Klosterbrauerei, der Katharinenturm, in dem sich heute die städtische Bücherei und das Heimatmuseum befinden, oder die historischen Fachwerkgebäude am Marktplatz prägen das Ortsbild. Alte und historische Bausubstanz bringt stets eine gewisse Verantwortung für die Pflege und den Erhalt eben dieser mit sich. Die Stadt hat dies erkannt und geht sehr vorausschauend vor, so dass es in Heilsbronn derzeit nur wenig Leerstand gibt.

„Tatsächlich ist es so, dass wir die vier, manchmal auch fünf,
Leerstände in der Innenstadt kennen. Die sind jetzt nicht extra verzeichnet.
Wir können die aus dem Stehgreif nennen, aber wir führen kein
amtliches Kataster in dem Sinne, wie es auch gefördert wird.“
(
Tobias Christ)

Tobias Christ hat seine Leerstände – sowohl bestehende als auch drohende – im Blick und setzt insbesondere auf Prävention und Vermeidung. Vor allem die kleinen Geschäfte, also die Gewerbetreibenden im Ort, rücken in den Fokus, denn: Bestehende Geschäfte im Ort halten den Kern am Leben und tragen zur Lebensqualität in der Stadt bei. Aus diesem Grund setzt die Stadt Heilsbronn bereits seit 2009 auf eine aktive Stadtentwicklung und ein Citymanagement. Diese Aufgabe übernimmt Citymanager Michael Aulbach von PLANWERK Stadtentwicklung, der sich aktiv für die Stärkung der Innenstadt einsetzt. In diesem Prozess erhält er Unterstützung durch die Lenkungsgruppe Heilsbronn und die verschiedenen Projektgruppen der Stadt, die sich mit der Entwicklung der Innenstadt, dem Einzelhandel und dem Thema Nachhaltigkeit befassen. Der wachsende Druck durch Discounter oder Online-Handel auf den stationären Einzelhandel ist jedoch auch hier spürbar und wird stetig größer.

„Citymanagement ist aus meiner Sicht gut dafür, Rahmenbedingungen
zu schaffen. Bei uns liegt dieser
[Fokus] auf dem Einzelhandel in der Innenstadt.
Es wird aber schwierig, wenn es konkreter wird und wir können nur bedingt weiterhelfen. Wenn im Rahmen der Landesplanung und gemessen an der Kaufkraft entschieden wird, dass Heilsbronn einen weiteren Discounter braucht,
dann müssen wir das bis zu einer gewissen Größe genehmigen.“
(
Dr. Jürgen Pfeiffer)

Im Gespräch wird schnell klar, dass der Erhalt und die Entwicklung der Stadt nur funktioniert, weil man in Heilsbronn verstanden hat, mit Förderungen zu arbeiten. Insbesondere die Städtebauförderung als dauerhaftes Programm ist von besonderer Relevanz für die Kleinstadt. Aus Sicht der Verwaltung ist dies das Programm mit den geringsten bürokratischen Hürden und dem überschaubarsten Aufwand – vor allem auch gemessen an den Fördersummen.

„Die Stadt gewährt eigene Fördermittel, die allerdings wiederum zu 60 Prozent durch Städtebaufördermittel bezuschusst sind. Unsere Fördermaßnahme richtet sich an Eigentümer innerhalb der Fördergebiete, insbesondere des Innenstadtbereichs, zum Beispiel für Fassadenmaßnahmen.

Es gibt auch eine Richtlinie der Stadt, in der die förderfähigen Maßnahmen und Bedingungen (…) enthalten sind. Wir haben das aber auch gedeckelt auf eine Bezuschussung von 30.000 Euro je Maßnahme. Wogegen wir uns aber auch entschieden haben, ist die Umwandlung von Leerstand in Wohnraum, weil wir insbesondere in der Innenstadt kein reines Wohnviertel möchten.“
(
Tobias Christ)

Den besonderen Stellenwert der Innenentwicklung stellen zwei weitere Aspekte dar. Zum Ersten – und zusätzlich zur Prämisse der Bayerischen Flächensparoffensive – hat der Stadtrat der Stadt Heilsbronn per Beschluss den Grundsatz „Innen- vor Außenentwicklung“ in das städtische Entwicklungskonzept aufgenommen. Und zweitens hat die Stadt ein eigenes Förderprogramm aufgestellt, um den Erhalt und die Belebung des Ortskerns weiter voranzutreiben.

Aus leer wird lebendig: Mit Ideen, Kooperationen und Mut gegen den Leerstand

Im Ortskern gibt es einige gute Beispiele für den Umgang mit drohendem oder tatsächlichem Leerstand. So sind beispielsweise Objekte entwickelt worden, die bereits seit längerer Zeit leer standen; aber es gab auch Projekte, die in Gebäuden realisiert wurden, denen der Leerstand lediglich drohte. Dies entspricht der präventiven Herangehensweise der Stadt, die aber auch nur dann funktionieren kann, wenn ein drohender Leerstand der Kommune bekannt wird. Dafür ist das überschaubare Setting einer Kleinstadt vorteilhaft, was in diesem Kontext einen relevanten Standortvorteil darstellt. Bei den folgenden Beispielen handelt es sich um Projekte, die sowohl von der Kommune als auch von Institutionen sowie von privaten Investor*innen oder Vereinen getragen worden sind. Oftmals ergaben sich jedoch auch kooperative Vorhaben, an deren Umsetzung mehrere Akteur*innen beteiligt waren.

Der Katharinenturm: Vom Wohnturm des Türmers zur Bibliothek und zum Museum

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erbaut, ist der Turm das Überbleibsel der ehemaligen Katharinenkirche. Der Turm wurde bereits damals zu einem Wohnturm umfunktioniert und unter anderem vom Türmer bewohnt. Hierbei handelt es sich um den historischen Beruf des Turmwächters, der insbesondere mit dem Brandschutz einer Stadt beauftragt war und im Fall eines Brandes Alarm schlug. Diese Nutzung als Wohnraum reichte bis in das Jahr 1980. Anschließend wurde der Turm mit Mitteln aus der Städtebauförderung und der Denkmalpflege hergerichtet, so dass die Stadtbücherei in das historische Bauwerk einziehen konnte. Im Jahr 1995 eröffnete in der ehemaligen Wohnung des Türmers zusätzlich das Heimatmuseum, die „Heimatstuben“ des Heimatvereins Heilsbronn. Das Gebäude befindet sich im kommunalen Besitz und gehört ebenfalls zu den stadtbildprägenden Objekten, direkt neben dem Heilsbronner Rathaus.

„Wenn beispielsweise die Stadt oder – im Falle des alten Markthauses –
die Evangelische Landeskirche sagen, dass sie ein Gebäude langfristig mieten wollen, dann ist das ein großer Vorteil.
Wenn die Bonität eines potenziellen Mieters stimmt, dann findet sich auch immer ein Investor, der eine Entwicklung finanziert. Wir haben genügend Privatkapital in Deutschland und das kann den Kommunen auch weiterhelfen.“
(Dr. Jürgen Pfeiffer)

Der Katharinenturm beherbergt nach seiner Reaktivierung die städtische Bücherei und das Heimatmuseum „Heimatstuben“
Das Gebäude der Evangelischen Medienzentrale Bayern am Heilsbronner Marktplatz als Beispiel für gelungene Leerstandsaktivierung

Die Evangelische Medienzentrale im historischen Markthaus

Ein ehemaliges Geschäftshaus direkt am Marktplatz der Stadt, welches in seinem Ursprung aus dem 16. Jahrhundert stammt, konnte im Jahr 2019 nach einer langen Leerstandsphase neu bezogen werden. Familie Kupfer kaufte das denkmalgeschützte Gebäude und sanierte das Objekt ausschließlich durch den Einsatz von Eigenmitteln. Für den Erwerb und die Entscheidung, das Gebäude zu entwickeln, war im Vorfeld von großer Bedeutung, dass das Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ihr Interesse an der Anmietung des Gebäudes signalisierte. Das sanierte Objekt dient dem angrenzenden Religionspädagogischen Zentrum (RPZ) seitdem als Evangelische Medienzentrale (EMZ) für den Freistaat Bayern.

Bürgertreff Heilsbronn: Soziale Teilhabe und gesellschaftliches Miteinander im ehemaligen Bekleidungsgeschäft

Aus einem ehemaligen Bekleidungsgeschäft wurde im Jahr 2013 ein Ort der Begegnung für Jung und Alt. Der heutige Bürgertreff Heilsbronn verfügt über verschiedene Angebote, wie den regelmäßigen Mittagstisch an Donnerstagen und Freitagen. Zudem bietet er Raum für Ausstellungen und Workshops und kann von örtlichen Projektgruppen oder Vereinen als Veranstaltungs- und Besprechungsraum genutzt werden. Letzteres hängt mit dem zunehmenden Gasthaussterben zusammen, was dazu führt, dass Orte für Vereinstreffen, -sitzungen und -veranstaltungen rar werden. Das Gebäude befindet sich in Privatbesitz, wobei die Stadt Heilsbronn als Mieterin der Räumlichkeiten fungiert und diese dem Verein Bürgertreff Heilsbronn e.V. zur Verfügung stellt. Dieser kümmerte sich auch um die Sanierungs- und Renovierungsarbeiten. Die Sanierung der Außenfassade konnte durch Mittel der Städtebauförderung bezuschusst werden, während der Innenausbau durch Spenden, Vereinsmittel und eine finanzielle Unterstützung der Stadt finanziert wurde.

Der Bürgertreff Heilsbronn bietet den Bürger*innen vor Ort sowie den zahlreichen Vereinen, Initiativen und Arbeitsgruppen einen Treffpunkt
Das leerstehende Gebäude der alten Brauerei in unmittelbarer Nähe zur Heilsbronner Innenstadt als Sorgenkind der Stadtentwicklung

Sorgenkinder mit Zukunft? Potenziale und Probleme historischer Gebäude in Heilsbronn

Trotz der vergleichsweise guten Ausgangslage in der Stadt Heilsbronn gibt es jedoch auch Leerstände, die noch nicht entwickelt sind und bei denen sich der Prozess schwieriger gestalten kann. In der Regel handelt es sich bei solchen Objekten um großvolumige Gebäude mit speziellen Anforderungen und einem besonderen Sanierungsaufwand. Bei den „Sorgenkindern“ der Kommune handelt es sich um große stadtbildprägende Gebäude, die zudem Denkmalschutz relevant sind. Exemplarisch sollen an dieser Stelle die ehemalige Klosterbrauerei an der Hauptstraße des Ortes und der Gasthof „Zum Adler“ in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rathaus der Stadt erwähnt werden. Bei beiden Objekten ist jedoch großes Potenzial der Leerstandsaktivierung zu erkennen.

Die alte Klosterbrauerei stammt bereits aus der Zeit der ersten Abtei in Heilsbronn im frühen 12. Jahrhundert und gehört somit zu den ältesten Gebäuden im Ort. Daraus ergeben sich jedoch Auflagen für die Sanierung des Objekts. So gab es bereits Überlegungen seitens der Stadt, die alte Brauerei selbst zu entwickeln und in eine neue Nutzung zu überführen. Gemeinsam mit der Kirche gab es beispielsweise die Idee, hier eine Kita zu eröffnen. Aufgrund der zentralen Lage und der dazugehörigen Außenflächen, hätte sich diese Lösung angeboten, aber die baurechtlichen Voraussetzungen haben schnell wieder zur Verwerfung der Pläne geführt. Das Gebäude steht nunmehr seit 15 Jahren leer und die Bausubstanz leidet zusehends. Wegen des hohen Investitionsvolumens sucht die Stadt nun händeringend nach – insbesondere privaten – Investor*innen. Da es sich aus Sicht des Bürgermeisters um ein sehr erhaltenswertes Gebäude handelt, gibt man die Hoffnung nicht auf, dass es in Zukunft entwickelt und neu- oder nachgenutzt werden kann.

Regionale Kooperationen und kommunale Selbstverwaltung -  Vereine und Bürger*innen als Motor der Stadtentwicklung

Die Vernetzung mit dem Landkreis, als übergeordnete Verwaltungsebene, ist laut Dr. Jürgen Pfeiffer durchaus gut. Darüber hinaus ergeben sich auch für Heilsbronn aufgrund der Strukturen im Freistaat Bayern enge Verbindungen mit anderen Kommunen innerhalb der Region durch den Anschluss der Stadt an den Regionalen Planungsverband Westmittelfranken, die Kommunale Allianz Kernfranken und die Lokale Aktionsgruppe (LAG) Rangau. Für die Entwicklungsarbeit aus Sicht der Verwaltung betont Dr. Jürgen Pfeiffer besonders die Kooperationen innerhalb der Kommunalen Allianz. Dieser Zusammenschluss stärkt die kommunale Selbstverwaltung und die interkommunale Zusammenarbeit in einem besonderen Maße, optimiert darüber hinaus den Ressourceneinsatz – durch gemeinsame Projekte und Maßnahmen – und trägt zur Selbstwirksamkeit der Kommunen bei. Für die Umsetzung kommunaler Vorhaben eignet sich das LEADER-Programm – vor allem aufgrund des bürokratischen Aufwandes – nicht. Aber – und das betont der Bürgermeister – die Kommunen beraten Privatpersonen, Vereine und Initiativen in Bezug auf die LEADER-Förderung und machen aktiv Werbung für dieses Programm. Das liegt nicht zuletzt an der guten Arbeit des Umsetzungsmanagers aus der Region, der in seiner Herangehensweise als sehr pragmatisch und unterstützend gelobt wird.

Das bedeutendste Netzwerk für die Kommune ist jedoch in der eigenen Stadt zu finden. Engagierte Bürger*innen sind ein wesentlicher Aspekt für eine gelingende Stadt- und Innenentwicklung. Auch in Heilsbronn lassen sich unzählige (potenzielle) Gestalter*innen ausmachen, ohne die insbesondere der Umgang mit Leerständen nur sehr schwer zu bewerkstelligen ist. In der Stadt sind es die Vereine und Projektgruppen, die sich für die Entwicklung als nahezu unverzichtbar erweisen. Sie sind ein wichtiges Bindeglied, Sprachrohr der Bürger*innen und bedeutender Multiplikator für die städtische Verwaltung und den Bürgermeister. Die Teilnahme an den Aktionstagen Innenorte des Landkreises Ansbach hat sich für die Vernetzung als ebenfalls bedeutsam herausgestellt. Insbesondere der Kontakt zu anderen Gestalter*innen und der fachübergreifende Austausch haben wertvolle Impuls gegeben.

Mehr Zuweisungen und weniger Bürokratie – wo Kommunen an ihre Grenzen stoßen

Trotz der recht positiven Ausgangssituation der Stadt Heilsbronn treten auch hier immer wieder Hürden und Erschwernisse auf, die die Entwicklungsarbeit beeinflussen oder sogar direkt beeinträchtigen. Diese Einflussfaktoren identifizieren Dr. Jürgen Pfeiffer und Tobias Christ zu großen Teilen auf der strukturellen Ebene. Demnach sollte die Förderlandschaft grundlegend überarbeitet oder neugedacht werden. Förderungen haben zwar den Vorteil, dass sie Gestalter*innen finanzielle Hilfe gewähren und dazu führen, dass Projekte realisiert werden können. Dahinter steht jedoch zumeist ein großer bürokratischer Aufwand, der meist nur schwer zu bewältigen ist. Zusätzlich erfüllen Förderungen jedoch eine weitere Funktion: Sie erzielen eine Wirkung nach außen, werden von den Menschen wahrgenommen und stehen sinnbildlich für den politischen Beitrag zur regionalen Entwicklung. Daher ist es von besonderer Relevanz, so viele Projekte wie möglich aufzeigen zu können.

„Mir wäre es immer lieber, man macht zehn Projekte
für je 10.000 Euro, als ein Projekt für 200.000 Euro.
Die Wirkung in der Breite wäre dann einfach eine ganz andere.“
(Dr. Jürgen Pfeiffer)

Damit kommt das Gespräch zu den Entscheidungsmechanismen bei der Vergabe von Fördermitteln. Die Kommunen, so auch die Stadt Heilsbronn, wünschen sich hier mehr Kompetenzen. Mit dem Regionalbudget ist im Jahr 2019 ein gutes Instrument geschaffen und den Kommunen an die Hand gegeben worden. Die Mittel aus dem Regionalbudget können mit vergleichsweise geringem bürokratischen Aufwand beantragt und vergeben werden. Über die Jahre sind die Budgets jedoch gekürzt worden, so dass das Förderinstrument an Wirkmächtigkeit verloren hat. Dennoch sind sie nach wie vor wichtig, um kleinere Projekte – bis zu einer maximalen Fördersumme von 20.000 Euro –bedarfsgerecht und zielgenau zu fördern.

„Eine allgemeine Forderung, die wir als Kommunen immer platzieren,
betrifft die Mittel im Rahmen des Finanzausgleichs im Freistaat.
Weniger Förderungen, einfach mehr Zuweisungen,
die unmittelbar an die Gemeinden gehen.
Die Gemeinden – und das betont der Freistaat höchstselbst stets –
die wissen selbst am besten, wo das Geld am sinnvollsten eingesetzt wird.“
(Tobias Christ)

Zudem müssen Ansprüche und Standards flexibilisiert werden. Dies bezieht sich auf die Anforderungen in Bezug auf bürokratische Erfordernisse und auf die Standards bei der Umsetzung von Projekten. Letztere gestalten sich für Vereine, Initiativen oder Privatpersonen noch einmal anders, als für eine Kommune.

„Ich nehme zum Verdeutlichen mal ein Bild aus der Autowelt:
Wenn wir das Niveau haben, dass wir über die Förderkulisse (…)
als Kommune nicht mal in der Lage sind, einen Golf zu finanzieren,
dann sollte ich nicht unbedingt die S-Klasse zum Standard machen."
(Dr. Jürgen Pfeiffer)

Eine Kleinstadt mit Vorbildcharakter – Chancen und Aufgaben für die Stadt Heilsbronn

Heilsbronn zeigt, dass Kleinstädte mit einem klaren strategischen Ansatz, engagierten Akteur*innen und funktionierenden Netzwerken dem Leerstand in der Innenstadt wirksam begegnen können. Die Kombination aus konsequenter Innen- vor Außenentwicklung, frühzeitig etabliertem Citymanagement und enger Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Vereinen, Investor*innen und Bürger*innen hat dafür gesorgt, dass Leerstände meist früh erkannt und häufig vermieden werden. Erfolgreiche Projekte wie die Wiederbelebung des Katharinenturms, die Ansiedlung der Evangelischen Medienzentrale oder die Einrichtung des Bürgertreffs verdeutlichen, wie historische Bausubstanz erhalten, neue Nutzungen geschaffen und gleichzeitig die städtische Lebensqualität erhöht werden können.

„Wissen Sie, wir hatten früher eine Personalstelle,
die sich mit Förderungen befasst hat. Heute sind es zweieinhalb Stellen.
Das ist sehr wichtig, bindet aber natürlich auch unsere Kapazitäten.“
(Dr. Jürgen Pfeiffer)

Gleichwohl bleibt die Stadt mit Herausforderungen konfrontiert: Großvolumige, denkmalgeschützte Gebäude wie die alte Klosterbrauerei erfordern hohe Investitionen und komplexe Genehmigungsprozesse. Hinzu kommen bürokratische Hürden bei Förderprogrammen, begrenzte personelle Ressourcen in der Verwaltung und ein verändertes Konsumverhalten, das den stationären Einzelhandel und die Gastronomie zunehmend unter Druck setzt. Diese Faktoren machen deutlich, dass erfolgreiche Innenentwicklung kontinuierliches Handeln, langfristige Planung und die Bereitschaft zu pragmatischen Lösungen erfordert.

Für die Zukunft gilt es, die vorhandenen Stärken gezielt auszubauen und die Rahmenbedingungen für die (Innen)Stadtentwicklung zu verbessern. Mehr kommunaler Handlungsspielraum bei der Vergabe von Fördermitteln, flexiblere Anforderungen im Denkmalschutz und neue Beteiligungs- und Finanzierungskonzepte könnten dazu beitragen, auch problematische Leerstandsobjekte erfolgreich zu entwickeln. Parallel dazu ist eine stärkere Sensibilisierung der Bevölkerung für die Bedeutung lokaler Strukturen notwendig. Gelingt dies, kann Heilsbronn nicht nur seine historische Substanz sichern, sondern seine Innenstadt auch langfristig als lebendigen, zukunftsfähigen Mittelpunkt erhalten – und damit als Vorbild für andere vergleichbare Kommunen in ländlichen Räumen dienen.

Mittelfranken

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Wie der Gemeindebürgermeister mit und für Langenfeld eine bürgerschaftliche Entwicklungsphilosophie verfolgt

Wie der Gemeindebürgermeister mit und für Langenfeld eine bürgerschaftliche Entwicklungsphilosophie verfolgt

Langenfeld ist eine Gemeinde am südlichen Steigerwald in der Region Mittelfranken mit 1.056 Einwohner*innen. Die ländliche Kommune ist stark von Veränderungen der Demografie und dem Strukturwandel in der Landwirtschaft betroffen. Auch hinsichtlich der Daseinsvorsorge haben sich Einbußen ergeben, so dass sich die Verantwortlichen der Gemeinde entschieden haben zu handeln. Der 1. Bürgermeister der Gemeinde Langenfeld Reinhard Streng berichtete in einem sehr anregenden Gespräch, wie die Gemeinde selbst die Zügel in die Hand nimmt, um sich den Herausforderungen zu stellen.

„Wir müssen uns um mehr Dinge wieder selber kümmern.
Die Strukturen, wie wir sie heute kennen, werden zu einem erheblichen Teil
nicht mehr ewig zur Verfügung stehen, gerade in ländlichen Regionen.“
(Reinhard Streng)

Reinhard Streng lebt bereits seit seinem 5. Lebensjahr in der unmittelbaren Nähe von Langenfeld. Er ist ausgebildeter Steuer- und Wirtschaftsfachangestellter. Nach der Ausbildung schloss er ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Wirtschaftspädagogik ab. Er war an verschiedenen Wirtschafts- und Berufsschulen tätig, teilweise in leitenden Funktionen. 1994 zog er mit seiner Familie nach Langenfeld, wo er sich seit 1996 politisch engagiert – zunächst als Mitglied des Gemeinderats und in der Funktion als 3. Bürgermeister. Seit 2002 ist er 1. Bürgermeister der Gemeinde und seit 2008 darüber hinaus im Kreistag aktiv, wo er zusätzlich die Position des gewählten stellvertretenden Landrats innehat.

Der 1. Bürgermeister der Gemeinde Langenfeld Reinhard Streng

In solch einer langen Zeit als Gemeindebürgermeister erlebt man viele Entwicklungen mit und gestaltet die Zukunft des Ortes maßgeblich. Dies wird bei Betrachtung der umgesetzten Projekte klar, wo es neben Innenentwicklung und dem Umgang mit Leerständen immer auch um das Gemeinwohl und die Zukunftsfähigkeit der Gemeinde geht.

Zukunft selbst gestalten – mit Bürgersinn, Fördermitteln und kreativer Innenentwicklung zu einer lebendigen Daseinsvorsorge

Die Gemeinde hat seit 2007 mehr als zehn Projekte in Zusammenhang mit leerstehenden Gebäuden umgesetzt. Hierdurch hat sich die Situation mit Blick auf die Daseinsvorsorge bereits deutlich verbessert. Zum Spektrum der Entwicklungen gehören die medizinische Versorgung in Form einer Hausarzt- und einer Physiotherapiepraxis sowie die pflegerische Versorgung durch den Bau einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft und einer Tagespflegeeinrichtung. Defizite in der Nahversorgung können über den gemeindeeigenen und bürgerschaftlich organisierten Dorfladen abgedeckt werden. Zudem steht die Schaffung von altersgerechtem und barrierefreiem Wohnraum im Fokus der Kommune. Dennoch gibt es in der Gemeinde Langenfeld noch leerstehende Immobilien. Vordergründig handelt es sich um privaten Leerstand, der aufgrund fehlenden Zugriffs nur schwer entwickelt werden kann. Auch drohender Leerstand ist ein Thema für die Gemeinde, wobei hier insbesondere „spezielle Konversionsflächen“ gemeint sind. Reinhard Streng bezeichnet sie als „Konversionsflächen der Dörfer“ und bezieht sich dabei auf nahezu alle landwirtschaftlichen Nutzgebäude. Die alten Gebäude sind in der Regel für eine moderne, zeitgemäße Landwirtschaft nicht mehr (lange) nutzbar und stellen ein enormes Entwicklungspotenzial dar. Allerdings muss Leerstand aus der Sicht des 1. Bürgermeisters in eine zeitgemäße Form konvertierbar sein. Sollte ein Gebäude nicht sanierbar sein, ist die Option eines Abrisses und anschließendem Neubau durchaus in Betracht zu ziehen. Einen häufigen Grund stellen die hohen baurechtlichen Standards dar.

„Wenn wir heute was machen, dann lade ich zu einer Bürgerversammlung ein.
Ich mache schon seit Jahren keine „normalen“ Bürgerversammlungen mehr.
Wenn ich einlade, dann immer zu einem bestimmten Thema.
Als die alte Molkerei leer geworden ist, da haben wir zum Beispiel
mit über 20 Leuten diskutiert, was daraus werden könnte.“
(Reinhard Streng)

Die Gemeinde verfolgt in ihrem Vorgehen einen Dreiklang: Ein Projekt wird in Betrieb genommen, ein weiteres parallel in Umsetzung gebracht und ein drittes konzipiert bzw. geplant. Reinhard Streng betont, dass es ihm wichtig sei, die Bevölkerung in Planungsprozesse mit einzubeziehen, da es sich bei den Projekten der Gemeinde in der Regel um gemeinwohlorientierte Vorhaben handelt. Aus diesem Grund veranstaltet die Gemeinde Langenfeld regelmäßig Bürgerversammlungen und -seminare. Diese weisen thematische Schwerpunkte auf und haben sich insbesondere nach Inbetriebnahme der „Dorflinde“ als Mehrgenerationenhaus etabliert. Für die Umsetzung mancher Projekte kann es zudem ratsam sein, eine Privatperson als Eigentümer*in oder Mehrheitseigner*in einzusetzen. Hierdurch erhöht sich oftmals der Handlungsspielraum, was zu mehr Flexibilität und letztlich zu einer gelungenen Projektentwicklung führen kann.

 „Ein Punkt, der wirklich wichtig ist und was an dem Bundesprogramm
Mehrgenerationenhaus, neben all der Bürokratie, das Wesentliche ist:
Es ist eines der am meisten oder am besten auf die ländlichen Regionen
zugeschnittenen Programme, weil es ein Gemischtwarenladen ist
und keine nennenswerte Spezialisierung braucht.
Spezialisierte Programme sind für die kleinen Kommunen,
so wie wir es sind, meist gar nicht nutzbar“
(Reinhard Streng)

Das zentrale Pilotprojekt – zugleich Anstoß für eine ganze Reihe weiterer Projekte der Innenentwicklung – war das Mehrgenerationenhaus „Dorflinde“ im Zentrum von Langenfeld.

Das Mehrgenerationenhaus „Dorflinde“ im Zentrum des Ortes

Als generationenübergreifendes Wohnprojekt geplant, sollte bei der „Dorflinde“ die Gemeinschaft im Fokus stehen, und zwar über eine „normale“ Wohngemeinschaft oder Nachbarschaft hinausgehend. Das Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser des Bundes sieht Wohnkonzepte jedoch nicht vor und da sie keines der Ziele – hierzu zählt insbesondere die Stärkung des generationenübergreifenden gesellschaftlichen Miteinanders – darstellt, wären das Projekt, wie es anfangs geplant wurde, im Rahmen des Aktionsprogramms nicht förderfähig gewesen. Der Sanierungs- und Baustart für die „Dorflinde“ war im Jahr 2007. Das Konzept des Vorhabens wurde im Austausch mit und Beteiligung der Bürger*innen erstellt, um dem Bedarf und Bedürfnissen der „zukünftigen Nutzer*innen“ gerecht zu werden. Sanierungs- und Baustart für die „Dorflinde“ war im Jahr 2007. Auf dem Baugelände befanden sich zu diesem Zeitpunkt eine alte Fachwerkscheune und ein angrenzendes Wohngebäude. Das Wohngebäude wurde jedoch abgerissen und durch den heutigen Glasanbau ersetzt. Zeitgleich sanierte man die ehemalige Scheune, bei der es sich um ein ortsbildprägendes und identitätsstiftendes Gebäude handelt. 

Dieser Teil der „Dorflinde“ dient heute als Gemeinde- und Veranstaltungssaal. Obwohl die ehemalige Scheune, nach Aussage von Reinhard Streng, eigentlich zu klein sei, wurde sich aufgrund der Bedeutung jedoch trotzdem für die Nutzung entschieden. Nicht nur bei der Konzeptionierung, sondern ebenfalls während der Bau- und Sanierungsarbeiten und dem heutigen Betrieb der „Dorflinde“ ist die Beteiligung der Bürger*innen wichtig.  Ehrenamtliches Engagement spielt weiterhin eine große Rolle, wobei die Gemeinde als Träger und Eigentümer stets die treibende Kraft war und ist.

Die Finanzierung setzte sich aus Fördergeldern sowie privaten und kommunalen Mitteln zusammen. In das Projekt flossen demnach Mittel aus der Städtebauförderung, dem Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser des Bundes, von der Bayerischen Landesstiftung sowie der Wüstenrot Stiftung. Nach Angaben von Reinhard Streng kamen bis zur Eröffnung der „Dorflinde“ im Jahr 2008 rund 250.000 Euro zusammen. Die übrigen Mittel konnten, wie gesagt, durch den Gemeindehaushalt und privates Sponsoring aufgebracht werden.

Ein weiteres wichtiges Projekt ist der Dorfladen Langenfeld, der im Jahr 2017 eröffnete und das Herzstück eines örtlichen Dienstleistungszentrums darstellt. In einem ehemaligen Lagerhaus entstand neben dem Nahversorgungsangebot noch eine Bäckerei, eine kleine Postfiliale, ein Bankautomat sowie eine angrenzende Hausarzt- und Physiotherapiepraxis. Wie in vielen ländlichen Gemeinden ist die Gründung des Dorfladens ein Resultat des schrumpfenden Angebots an Daseinsvorsorge – in diesem Fall konkret: die Schließung der örtlichen Bäckerei, die noch weitere Lebensmittel und kleinere Dinge des Alltags angeboten hatte.

Beim Betreten des Geschäfts wird direkt klar: Es handelt sich um einen außergewöhnlich großen und gut sortierten Dorfladen. Auch hier stellten Mittel der Städtebauförderung einen wesentlichen Teil der Fördergelder dar. Zusätzlich konnte die Inneneinrichtung mit Hilfe der LEADER-Förderung finanziert werden. Darüber hinaus wurden für den Betrieb des Dorfladens eine Unternehmergesellschaft (UG) und eine Stille Gesellschaft gegründet, die mit 300 Gesellschafter*innen ein Gesamtkapital von rund 135.000 Euro zeichnete. Die Mindesteinlage für einen Gesellschaftsanteil beträgt 200 Euro.

Das örtliche Dienstleistungszentrum mit dem Dorfladen Langenfeld
Die ambulant betreute Wohngemeinschaft am Standort der ehemaligen Bäckerei
Das einst geschlossene Langenfelder Wirtshaus an der Hauptstraße des Ortes wird von der Gemeinde verpachtet und seit 2017 wieder ein wichtiger Treffpunkt im Ort

Im gleichen Jahr 2017 wurde – auch hier wieder mit Hilfe der Städtebauförderung – ein neues Gebäude im Ortskern von Langenfeld realisiert, welches seitdem eine ambulant betreute Wohngemeinschaft beherbergt. Das Haus liegt in unmittelbarer Nähe zur „Dorflinde“ am Standort der ehemaligen Bäckerei des Dorfes. Das alte Gebäude konnte leider nicht entsprechend saniert werden, da es für die benötigte Deckenhöhe zu niedrig und somit für die neue Nutzung nicht geeignet war. Folglich musste es leider abgerissen werden. Es handelt sich also um keine Leerstandsaktivierung im engeren Sinn oder die Umnutzung eines bestehenden Gebäudes – auch wenn die Gemeinde mit allen Mitteln versucht hat, die Wohngemeinschaft in der alten Bäckerei zu realisieren. Gemeindebürgermeister Reinhard Streng ist bei diesem Projekt als Privatperson der Mehrheitseigner, wodurch sich für die Kommune Vorteile ergeben und rechtliche Konflikte umschifft werden konnten. Durch eine umfangreiche Förderung konnte die Gemeinde das alte Gebäude zurückbauen und das Grundstück neu entwickeln. Hierfür musste sie lediglich 70.000 Euro Eigenkapital einbringen.

„Ich bin ein großer Anhänger der These, dass die Kirche
und das Wirtshaus einfach in jedes Dorf gehören.
Beide gehören zu den Fundamenten, die gesellschaftliches Miteinander
sehr positiv beeinflussen können, auch wenn ein Großteil der Bevölkerung
heute weder das eine noch das andere besucht.“
(
Reinhard Streng)

Wirtshäuser gehören für auswärtige Betrachter*innen zum typischen Ortsbild im Fränkischen. Aber auch diese Region mit ihrer traditionsreichen Braukultur bleibt nicht vom fortschreitenden Gasthaussterben verschont. Einst gab es in Langenfeld drei Wirthäuser, berichtet Reinhard Streng. Seit 2017 gibt es nach einer wahren „Durststrecke“ von 28 Jahren endlich wieder eines.

Es handelt sich ebenfalls um ein ortsbildprägendes Gebäude (ehemalige Posthalterei), welches zusätzlich denkmalgeschützt ist. Die Gemeinde erwarb das Gebäude vor einigen Jahren und sanierte es denkmalgerecht. Bei der Umsetzung dieses Bauvorhabens war lediglich die Sanierung der Fassade durch die Städtebauförderung förderfähig. Anfangs nur an Sonntagen geöffnet, ist das Wirtshaus mittlerweile zu einem wichtigen Treffpunkt für die Langenfelder geworden. Die Gemeinde tritt als Verpächter auf und erzielt dadurch wiederkehrende Einnahmen.

Ideen, Austausch und Gemeinschaft – die Kraft des Netzwerks der Gemeinde Langenfeld

Das Herzstück des Netzwerks liegt in der Gemeinde Langenfeld selbst. Die unzähligen Ehrenamtlichen aus dem gesamten Gemeindegebiet sind für die Entwicklung ganz wesentlich, denn das Ehrenamt bringt viele Menschen mit verschiedenen Kompetenzen zusammen, die sich konstruktiv in die Projekte einbringen. Ergänzt wird dies durch ein starkes kommunales Netz im Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim. Auch die Zusammenarbeit im und mit dem Kreistag hebt der Gemeindebürgermeister hervor. Zudem gibt es enge Verbindungen zu anderen Kommunen innerhalb der Region durch den Anschluss an den Regionalen Planungsverband Westmittelfranken, die Kommunale Allianz Franken 3 und die Lokale Aktionsgruppe (LAG) Südlicher Steigerwald.

Als besonders wertvolle Akteure im Netzwerk werden die Institutionen und Organisationen beschrieben, die die Langenfelder Gemeindevertreter*innen immer wieder zu Veranstaltungen einladen, auf denen sich die Gemeinde Langenfeld präsentieren kann. Aber der große Vorteil solcher Veranstaltungen liegt nicht in der Selbstdarstellung – wenn es auch guttut, dass die eigenen Projekte als Best-Practice-Beispiele bewertet werden –, sondern im Austausch mit anderen Gestalter*innen und den vielen neuen Ideen, die man dabei mitnimmt.

„Veranstaltungen, auf denen wir uns vorstellen können, sind auch immer ein Ideen-Pool, wo man immer wieder was mitnimmt. Das ist eine wichtige Ressource. Viele Dinge und Ideen entstehen ja nicht unbedingt aus einem selbst heraus, sondern das sind Informationen und Eindrücke, die man irgendwo mitgenommen hat.“
(
Reinhard Streng)

Hilfreiche Impulse bekommt die Gemeinde Langenfeld auch durch die Zusammenarbeit mit der SPES Zukunftsakademie in Schlierbach (Österreich). Die SPES (Studiengesellschaft für Projekte zur Erneuerung der Strukturen) entwickelt praxisnahe Modelle für lebenswerte ländliche Regionen, stärkt Bürger*innen in ihrer Selbstwirksamkeit und fördert ihre aktive Beteiligung. Sie begleitet Gemeinden und Initiativen bei Themen wie Familie, Klima, Mobilität, Nahversorgung und Zentrumsbelebung, sowohl regional als auch in internationalen Projekten. Auch die Kollaboration mit der Arbeitsgemeinschaft für Sozialplanung und Altersforschung (AfA) in München – insbesondere der Kontakt zu Sabine Wenig – war für die Entwicklungsarbeit der Gemeinde von großer Bedeutung. Im Rahmen des Modellprojekts „Altenhilfekonzept für kleine Gemeinden“ des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales wurde Langenfeld zur Modellkommune im Kontext des demografischen Wandels. In dieser Zeit wurde auch die Grundlage für das Konzept der „Dorflinde“ gelegt. Zudem entwickelte sich in der Gemeinde ein grundlegendes Verständnis für die eigene Ausganslage und wie diese verbessert werden kann. Reinhard Streng betont, dass Langenfeld in dieser Zeit das Rüstzeug an die Hand gegeben wurde, um Projekte zu entwickeln und die Gemeinde zukunftsfester zu machen.

Auch in die Wissenschaft bestehen Vernetzungen. Insbesondere Prof. Dr. Peter Dehne von der Hochschule Neubrandenburg und Prof. Dr. Thomas Klie vom Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze) in Freiburg im Breisgau sind hier zu erwähnen. Beide beschäftigen sich mit Hybridität in der Daseinsvorsorge, um diese auf kommunaler Ebene zukunftssicher zu gestalten. Dabei sind die beiden Wissenschaftler auf die Entwicklungen in Langenfeld aufmerksam geworden, woraus sich wichtige Kooperationen entwickelt haben.

Ungenutzte Chancen – warum Förderhürden und Vorschriften den kommunalen Handlungsspielraum einschränken

Eine wesentliche Hürde für die Entwicklung sieht Reinhard Streng bei den Restriktionen in der Förderlandschaft. Aus kommunaler Sicht sind hier insbesondere das LEADER-Programm und die Förderungen im Rahmen der Gesundheitsregionenplus in Bayern zu erwähnen. Wesentliche Aspekte für LEADER liegen in der Höhe des zu leistenden Eigenanteils, da dieser grundsätzlich zwischen 30 und 40 Prozent beträgt und von Kommunen oftmals nicht erbracht werden kann. Die Kritik an den Gesundheitsregionen liegt im Grad der Spezialisierung, da sich die Förderung gezielt an die Schaffung und Stärkung von Gesundheitsstrategien und –angeboten richtet und dies in den Richtlinien sehr eng gefasst ist. Hier sollte die Förderfähigkeit aus Sicht von Reinhard Streng offener gehalten sein. Dann hätten auch Langenfelder Projekte die Chance gehabt, in diesem Rahmen gefördert zu werden.

„Wir Kommunen geben oftmals einen nennenswerten Teil
der Fördergelder für deren Verwaltung und Bewirtschaftung aus.
Das ist doch nicht sinnvoll und muss zukünftig schlanker.“
(Reinhard Streng)

Auch die Überbürokratisierung stellt ein nicht unwesentliches Problem dar. Dies muss auch vor dem Hintergrund der personellen Ausstattung kleiner Gemeinden betrachtet werden. Ein hoher bürokratischer Aufwand, insbesondere im Rahmen der Fördermittelverwaltung, ist für kleine Gemeinden nur schwer zu bewerkstelligen. Aus der Warte des Gemeindebürgermeisters sollten kleine Gemeinden grundsätzlich über mehr Eigenverantwortung verfügen und mehr Vertrauen seitens der Landes- und Bundesregierung bekommen. Hier bedarf es nach Auffassung von Reinhard Streng ein Umdenken und eine Neuausrichtung.

Langenfelds Philosophie für ein starkes Miteinander: Ein nachhaltiger Ansatz, der zum Nachmachen anregt

Seitdem die Gemeinde Langenfeld die kommunale Entwicklung in vielen Bereichen vorangetrieben hat, konnten die Ausgangslage wie auch die Zukunftsperspektiven spürbar verbessert werden.

„Der Mann ist anfangs nicht einmal auf der Straßenseite der „Dorflinde“ gegangen, damit er dem Ding ja nicht zu nah kommt. Zum Kaffeetrinken ging es immer in den Nachbarort und die „Dorflinde“ wurde immer kritisiert. Dann ist die Frau gestorben, es ging mit der eigenen Gesundheit bergab und mit einem Mal saß er dann hier einmal in der Woche beim Stammtisch. Dann fährst du hier vorbei und siehst ein Gesicht, das Lebensfreude ausstrahlt, DAS motiviert.“
(Reinhard Streng)

Die Gemeinde Langenfeld hat uns eindrucksvoll gezeigt, wie engagierte kommunale Führung, Bürgerbeteiligung und ein kreativer Umgang mit vorhandenen Ressourcen den Herausforderungen des ländlichen Strukturwandels begegnen können. In den Amtszeiten von Reinhard Streng ist es gelungen, zentrale Elemente der Daseinsvorsorge – von medizinischer Versorgung über Nahversorgung bis hin zu Treffpunkten wie der „Dorflinde“ und dem Wirtshaus – neu zu beleben oder überhaupt erst wieder zu schaffen. Dabei stehen nicht nur bauliche Projekte, sondern vor allem ein ganzheitliches Verständnis von Gemeinschaft und Lebensqualität im Mittelpunkt. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die konsequente Einbindung der Bürgerschaft, die durch themenspezifische Versammlungen, ehrenamtliches Engagement und partnerschaftliche Netzwerke nicht nur Mitgestalterin, sondern auch Umsetzerin der Projekte ist. Die Gemeinde nutzt dabei geschickt Förderprogramme, private Beteiligungen und innovative Organisationsformen, um trotz begrenzter Mittel eine große Wirkung zu erzielen.

Gleichzeitig verdeutlichen die Erfahrungen Langenfelds die Grenzen der derzeitigen Förderlandschaft: Hohe Eigenanteile, enge thematische Vorgaben und Bürokratie schränken den Handlungsspielraum kleiner Kommunen deutlich ein. Hier liegt eine zentrale Zukunftsaufgabe – nicht nur für Langenfeld, sondern für die ländliche Entwicklung insgesamt: Rahmenbedingungen schaffen, die Innovation fördern, Entscheidungswege verkürzen und den Gemeinden mehr Vertrauen schenken.

Durch die Entwicklungen in den letzten Jahren hat sich die Gemeinde Langenfeld den Status einer Modellkommune erarbeitet, die aufzeigt, wie „Innenentwicklung mit Bürgersinn“ aussehen kann. Künftige Handlungsfelder könnten in der stärkeren digitalen Vernetzung, der Weiterentwicklung barrierefreier Wohnangebote, der Umnutzung weiterer Konversionsflächen sowie in neuen Formen gemeinschaftlicher Daseinsvorsorge liegen. Wenn es gelingt, bürokratische Hürden abzubauen und Fördermittel flexibler einzusetzen, hat Langenfeld beste Chancen, nicht nur den eigenen Weg fortzusetzen, sondern auch andere Gemeinden zu inspirieren – als lebendiges Beispiel für zukunftsfähiges Leben in ländlichen Räumen.

Mittelfranken

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Kooperatives Konzept zur Aktivierung von Innenentwicklungspotenzialen im Landkreis Northeim

Kooperatives Konzept zur Aktivierung von Innenentwicklungspotenzialen im Landkreis Northeim

Kreis und Gemeinden nehmen „Lupenräume“ gemeinsam in den Blick

Bei einem Besuch beim Landkreis Northeim lieferten uns Julia Gogrewe und Alexander Schramm spannende Einblicke, auf welche Art und Weise der Landkreis gemeinsam mit den Kommunen das Thema der Innenentwicklung in den Blick nimmt und die Aktivierung von Potentialflächen organisieren will. Julia Gogrewe ist gelernte Bauzeichnerin, studierte im Anschluss Architektur und ergänzte ihre Ausbildung durch einen Abschluss im Studiengang Städtebau. Sie arbeitete in freien Architektur- und Planungsbüros und absolvierte zudem das Städtebaureferendariat beim Land Nordrhein-Westfalen Danach übernahm sie verschiedene kommunale Leitungspositionen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Seit Februar 2021 ist sie Dezernentin für Bauen und Umwelt beim Landkreis Northeim. Ihr Kollege Alexander Schramm ist ebenfalls seit 2021 beim Landkreis beschäftigt. Hier war er anfangs noch im Bereich Straßenverkehr und Mobilität mit dem Schwerpunkt auf den öffentlichen Personennahverkehr tätig, bevor er im September 2022 zum internen Fördermanagement wechselte. Er ist studierter Geograf und hat im Anschluss einen Master in Regionalmanagement und Wirtschaftsförderung absolviert. Seit November 2024 ist er mit dem Projekt „Interkommunales Projekt- und Fördermanagement Aktive Innenentwicklung“ befasst.

„Dem Thema Leerstand wollten wir uns zu Beginn des Projekts
gemeinsam mit den Städten und Gemeinden intensiver widmen,
haben aber schnell gemerkt, dass wir uns damit aufgrund
der Berücksichtigung des Datenschutzes verheben.

Wir wollten mit den vorhandenen Personalressourcen gemeinsam
Erfolge erzielen und der Politik den Mehrwert von Innenentwicklung
vor Außenentwicklung durch konkrete Konzepte und anschließende
Aktivierung von Innenentwicklungspotenzialen aufzeigen.

Es wurde deutlich, dass die Erhebung und Beseitigung
von Leerständen eine aufwendige Daueraufgabe darstellt,
der wir uns personell (noch) nicht stellen konnten.“
(
Julia Gogrewe)

Motiviert durch eine Teilnahme an der Förderinitiative „Aktive Regionalentwicklung“ als Teil des Bundesprogramms „Region gestalten“ nahm der Landkreis Northeim bei der Erstellung eines Strategischen Regionalentwicklungskonzepts (SREK) das Thema Innenentwicklung gezielt in den Blick. Die Leerstandsthematik wird bei der Innenentwicklung stets mitberücksichtigt, stellt aber nicht den Kerninhalt des SREK dar. Bei der genauen Betrachtung der identifizierten Entwicklungspotenziale fällt aber auf, dass Innenentwicklung und die Aktivierung von minder- und untergenutzten Flächen sowie Leerstand oft Hand in Hand gehen. Eine gezieltere Betrachtung leerstehender Gebäude und den bedarfsgerechten Umgang damit verliert der Landkreis zusammen mit den Städten und Gemeinden nicht aus den Augen und arbeitet gemeinsam an praktikablen sowie nachhaltigen Lösungen. Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Modellvorhaben sowie Einblicke in die aktuelle Arbeit gewährten uns Julia Gogrewe und Alexander Schramm in einem Interview.

Leiterin des Dezernats Bauen und Umwelt Julia Gogrewe und Mitarbeiter im Fachbereich Kreis- und Regionalentwicklung Alexander Schramm im Kreishaus Northeim

Das Bundesprogramm „Regionen gestalten“ vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) ging im Jahr 2019 an den Start. Das Ziel war und ist: Regionen nachhaltig und zukunftsstark zu entwickeln und regionale Disparitäten abzubauen. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) förderte das BMWSB verschiedene Modellregionen in ganz Deutschland mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten. Ein Überblick über die geförderten Modellregionen und Vorhaben befindet sich auf der Webseite von „Region gestalten“.

Für den Landkreis Northeim sind insbesondere die Förderinitiativen „Aktive Regionalentwicklung“ und „Absorptionsfähigkeit stärken“ von Bedeutung. Das Modellvorhaben „Aktive Regionalentwicklung“ wurde von 2021 bis 2024 in 16 Modellregionen durchgeführt. Adressiert waren insbesondere strukturschwache ländliche Räume. Das Ziel des Modellvorhabens war es, regionale Akteur*innen der Regionalplanung und -entwicklung stärker zu vernetzen, regionale Kooperationen zu identifizieren und zu stärken, spezifische Bedarfe der Region zu erkennen und sie mit Hilfe der Entwicklung eines Strategischen Regionalentwicklungskonzepts (SREK) gezielt zu einem Teil der regionalen Agenda zu machen.

Basierend auf dem Modellvorhaben startete die aufbauende Förderinitiative „Absorptionsfähigkeit stärken“ mit einer Laufzeit von 2024 bis 2027. Der Kerninhalt liegt im Aufbau einer effizienten Fördermanagementstruktur in der Region und somit in der Gewährleistung der Umsetzung des Strategischen Regionalen Operativen Programms (SROP), das im Zuge des Förderlaufzeitraums von jeder teilnehmenden Region erstellt werden muss. Hierbei handelt es sich um die konkreten Handlungsansätze und Maßnahmen, die sich aus den Inhalten des SREK ableiten lassen.

Erfahrungen und Erkenntnisse aus den beiden Modellvorhaben

Wie Julia Gogrewe berichtete, befindet sich der Landkreis Northeim hinsichtlich der regionalen Entwicklung derzeit in einem Prozess der Neuausrichtung und Konzeptionierung. Dies zeigt sich vor allem in der Neuaufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) und der erstmaligen Erstellung eines Wohnraumversorgungskonzeptes. Da kam das Modellvorhaben „Aktive Regionalentwicklung“ gerade zur richtigen Zeit. Mit der Entwicklung und Formulierung des SREK konnte sich der Landkreis Northeim bereits neu justieren und Handlungsperspektiven über einen längeren Zeitraum schaffen.

Den Kern des SREK bildete die Identifizierung von Innenentwicklungspotenzialen im Landkreis, die in ein kreisweites digitales Innenentwicklungskataster überführt wurden. Demnach verfügt der Landkreis über 324 Hektar an Flächenpotenzial für die Innenentwicklung in Bebauungsplänen und innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile. Bei relativer Betrachtung bezogen auf die Einwohnerzahl haben nicht die Mittelzentren das größte Potenzial, sondern die kleineren Kommunen. Diese Arbeit erfolgte nach der Gründung des Steuerungsgremiums, in welchem u.a. Vertreter*innen aller Kommunen des Landkreises aktiv mitarbeiten. All dies führte neben der Sensibilisierung der kommunalen Akteur*innen für die Bedeutung der Innenentwicklung vor Außenentwicklung zu einem aktiven interkommunalen Innenentwicklungsmanagement für den Landkreis Northeim.

Die Nutzung des Katasters befähigt die Kommunen zu qualifizierten Aussagen über einzelne Flächen und beschleunigt sowie verbessert somit die Beratung von Kauf- und Bauwilligen. Aus dem Kataster gehen zudem die sog. „Lupenräume“ hervor, die gemeinsam mit den jeweiligen Städten und Gemeinden identifiziert wurden. Für diese Potenzialflächen gilt die Prämisse, diese bedarfsorientiert und zukunftsfähig zu entwickeln. Die für diese Flächen seitens eines begleitenden Planungsbüros entworfenen Konzeptskizzen beinhalten zumeist die Themen Wohnen, Pflege und Schaffung von Freiraumqualitäten. Insbesondere barrierefreier, oftmals gemeinschaftlich orientierter Wohnraum mit Umfeld- sowie Aufenthaltsqualität soll als Entwicklungsziel im Fokus stehen. Dadurch können Umzugsketten angestoßen werden, was zur Freisetzung von Bestandsimmobilien führt. Dies wiederum kann den Landkreis attraktiver machen, insbesondere für Familien und „Rückkehrer“.

Ein Maßnahmenvorschlag aus dem Wohnraumversorgungskonzept ist es, dass auf Ebene der Kommunen – gegebenenfalls auch interkommunal organisiert – ein Innenentwicklungs- und Sanierungsmanagement aufgebaut und etabliert wird. Die Vermeidung von dauerhaftem Leerstand und die Entwicklung von Aktivierungsstrategien für die erfassten Potenzialflächen sowie die Beratung von Eigentümern soll hierbei das Ziel sein.

Entwicklungspotenziale im Landkreis Northeim – „Lupenräume“ zur Verdeutlichung der Möglichkeiten und Chancen von Innenentwicklung

Anhand des Innenentwicklungskatasters sind zunächst 16 „Lupenräume“ im Landkreis Northeim identifiziert worden. Hierbei handelt es sich um Brachflächen im Innenbereich mit und ohne Gebäudebestand, die sich für die Entwicklung von Nachnutzungs- und Umnutzungskonzepten besonders gut eignen und für den jeweiligen Ort von Bedeutung sind sowie durch eine passende Konzeption eine positive Strahlkraft für diesen entfalten können. Im SREK wurden schließlich 13 Lupenräume benannt, wovon zehn einen Schwerpunkt auf die Schaffung von Wohnraum legen. Zu den Lupenräumen zählen beispielsweise ehemalige Gewerbe- und Industriegelände, wie das Lokschuppenareal in Northeim oder die alte Käserei in Bodenfelde. Aber auch öffentliche Flächen, wie das ehemalige Schulgelände in Düderode oder landwirtschaftliche innerörtliche Brachflächen, wie in etwa in Katlenburg-Lindau, sind als Lupenräume ausgewählt worden. Die Entwicklung der minder- und oder untergenutzten Gebäude und Flächen soll im aktuellen Modellvorhaben „Absorptionsfähigkeit stärken“ vorangebracht werden. Die erstellten Konzeptskizzen wurden in jeder Kommune der Politik sowie den Eigentümer*innen – vielfach zunächst in nichtöffentlichen Sitzungen und Besprechungen – inklusive möglicher Förderzugänge vor- und der Mehrwert bei einer dementsprechenden Entwicklung dargestellt. Die Gemeinsamkeit aller Lupenräume liegt darin, dass sie sich im Innenbereich der jeweiligen Kommunen befinden. Um eine genauere Vorstellung zu bekommen, werden im Folgenden vier Lupenräume und deren Entwicklungsmöglichkeiten näher erläutert.

Neue Pläne für die alte Käserei in Bodenfelde

Bei der ehemaligen Käserei Zitzke und Mascher handelt es sich um eine Gewerbebrache in der Nähe des Bodenfelder Bahnhofs. Von der örtlichen Bevölkerung wird der Komplex mittlerweile als „vernachlässigter Schandfleck“ wahrgenommen; dennoch bietet er ein enormes Potenzial für die Nach- oder Neunutzung. Zudem hat dessen Geschichte eine identitätsstiftende Funktion für die Menschen und den Ort Bodenfelde.

Vorstellbar ist, dass eine neue, lebendige Ortsmitte entsteht. Das entsprechende Konzept beinhaltet in einem Teil der Bestandsgebäude gastronomische, kulturelle und touristische Nutzungen und angrenzend als Nachnutzung nach Abriss ein neues Wohnquartier mit vielfältigen Wohnformen und qualitätsvollen Freiräumen. So könnten im Bestand zum Beispiel ein (Mitmach-)Museum, die Beherbergung von Tourist*innen und eine (Event-)Gastronomie entstehen. Das Gelände ist in Privatbesitz. Da dieser kein Entwicklungsinteresse hat, müsste auf Basis des Konzeptes ein Käufer und Investor gefunden werden. Hierfür ist eventuell ein kommunaler Zwischenerwerb und eine anschließende Konzeptvergabe der denkbare Weg.

Das Gelände der ehemaligen Bodenfelder Käserei bietet Potenzial für eine neue Ortsmitte und eine deutliche Steigerung der Lebensqualität im Ort (Foto: Andreas Schreiber)
Der ehemalige Schulstandort in Düderode mit der Sporthalle und einer ungenutzten Wiesenfläche

Ideen für gemeinschaftliches Wohnen am ehemaligen Schulstandort Düderode

Im kleinen Ort Düderode befindet sich gegenüber dem Kindergarten ein brachliegendes Grundstück mit bereits an die Gemeinde veräußerter und von örtlichen Vereinen genutzter Sporthalle. Bei dem ehemaligen Schulstandort handelt es sich ebenso wie in Bodenfelde um einen der „Lupenräume“, welcher den Schwerpunkt auf die Schaffung von Wohnraum legt.

Das Gelände soll als gemeinschaftliches Wohnquartier mit multifunktionalen Gemeinschaftsflächen (innen wie außen) entwickelt werden. Durch die unmittelbare Nähe zum Kindergarten und die ruhigere Ortsrandlage bietet sich der Standort insbesondere für jüngere Familien aber auch für ein generationenübergreifendes Wohnkonzept an. Das Gelände befindet sich in Besitz des Landkreises und soll über eine Konzeptausschreibung an einen Investor vergeben werden.

Von der landwirtschaftlichen Brachfläche zum Lebensquartier – Pläne für Katlenburg-Lindau

Beim „Lupenraum“ in Katlenburg-Lindau handelt es sich um eine ehemalige landwirtschaftliche Fläche mit zwei Betriebsgebäuden im Privatbesitz. Das Gelände liegt mitten im Ort in der Nähe des Bahnhofs. Zudem befinden sich die Gemeindeverwaltung und Nahversorgungsangebote in fußläufiger Entfernung.

Das bisherige Konzept sieht vor, eine Begegnungsstätte und Einrichtung für Intensiv- und Palliativpflege zu errichten. Zusätzlich soll ein Mobilitätshub entstehen. Zudem soll ein Mehrgenerationen-Wohnquartier geschaffen werden. Vorgesehen ist eine Mischung aus Service- und Pflegewohnen sowie aus individuellem Wohnraum. In diesem Fall hat die Kommune bereits von ihrem geltenden Recht Gebrauch gemacht und eine Veränderungssperre für das Gelände verhängt. Mit diesem planungsrechtlichen Instrument hat sich die Gemeinde dahingehend abgesichert, dass keine – dem städtebaulichen Willen und Konzept der Gemeinde entgegenstehende Nutzung – beispielsweise durch einen Discounter – realisiert wird.

Die landwirtschaftliche Brachfläche mit Gebäudebestand, auf dem das „Lebensquartier“ für Katlenburg-Lindau entstehen soll
Die Feuerwehr mit angrenzenden Gebäuden im Eckhartsweg in Nörten-Hardenberg
Das Gelände des kommunalen Bauhofs im Eckhartsweg in Nörten-Hardenberg

Nachnutzung öffentlicher Gebäude in Nörten-Hardenberg – Konzepte für Bauhof und Feuerwehr im Eckartsweg

Der Eckhartsweg in Nörten-Hardenberg ist eine typische von Mischnutzung geprägte innerstädtische Fläche. Hier sind neben Wohn- und Gewerbegebäuden auch die Feuerwehr und der kommunale Bauhof angesiedelt. Die Feuerwehr soll in naher Zukunft an einen neuen Standort verlegt werden, wodurch der derzeitige Gebäudekomplex leer stehen und neugenutzt werden soll. Je nach Nachnutzungskonzeption ist auch die Umsiedlung des Bauhofs denkbar.

Geplant ist eine Nachnutzung der Bestandsgebäude durch eine Nutzungsmischung. Die Konzeptskizze sieht vor, dass ein Gewerbe- und Wohnhof mit Gründercharakter (Arbeiten und Wohnen unter einem Dach) entstehen könnte. Nicht störende Gewerbeeinheiten und Büros sollen sich zumeist in den Erdgeschossen ansiedeln, während Wohnraum für die Obergeschosse vorgesehen ist.  Zusätzlich sollen im großen Umfang Flächen entsiegelt und begrünt sowie der ruhende Verkehr neu geordnet werden. Da es sich vorrangig um öffentliche Gebäude und Flächen handelt, soll die Projektentwicklung federführend von der Kommune erfolgen.

Innenentwicklung im Schulterschluss: Partnerschaftlich planen – nachhaltig gestalten

Die Vernetzung der unterschiedlichen Akteur*innen der Regionalentwicklung und die Stärkung regionaler Kooperationen waren wesentliche Zielsetzungen des Bundesprogramms „Region gestalten“. Interkommunale Zusammenarbeit und ein konstanter Austausch sind demnach ein wichtiger Bestandteil und müssen nachhaltig gepflegt werden. Ebenso sollte Innenentwicklung kooperativ auf Ebene der Kommunen und des Landkreises konzipiert und gesteuert werden. Der Landkreis sollte dabei unterstützend tätig sein, Gemeindevertreter*innen beraten und sie dazu befähigen, ihre Gemeinden zukunftsfähig zu entwickeln. Durch das Modellvorhaben wurde dieser Gedanke besonders forciert und mit dem Steuerungsgremium für ein aktives Innenentwicklungsmanagement ein Instrument geschaffen, das in der Phase der Projektlaufzeit eine sehr vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Landkreis gewährleistet hat.

„Ohne das Netzwerk – und da spreche ich jetzt von unserem
Steuerungsgremium – können wir keine nachhaltige
Kreis- und Regionalentwicklung im Hinblick auf eine aktive und
bedarfsgerechte Innenentwicklung betreiben.
Dieses geht nur im Schulterschluss der regionalen
Akteure und Entscheidungsträger.

Wir als Landkreis verstehen uns als Dienstleister und Partner
für unsere Städte und Gemeinden. Nur gemeinsam gelingt es,
den Landkreis zukunftsfähig zu gestalten.“
(
Julia Gogrewe)

Im Hinblick auf die Entwicklungsschwerpunkte in der Region musste das Netzwerk sinnvoll durch weitere Akteur*innen ergänzt werden. Hierzu zählen beispielsweise die Handwerks- sowie die Industrie- und Handelskammer (IHK), Finanzinstitute oder das Amt für regionale Landesentwicklung (ArL) und die Südniedersachsenstiftung. Einen weiteren wichtigen Akteur aus der Region stellt das Fachwerk5Eck dar. Näheres zu der Arbeit dieser Initiative lässt sich in einem separaten Artikel unseres Blogs erfahren. Wesentliche Aspekte des Austauschs innerhalb des Netzwerks sind beispielsweise die Identifizierung gemeinsamer Bedarfe und erforderlicher Qualitäten sowie von Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten, die Klärung von Zuständigkeiten oder aber die Verteilung der Aufgaben. Ein wichtiges Ziel besteht darin, Doppelstrukturen zu vermeiden und stattdessen durch interkommunale Zusammenarbeit und Aufbau von Netzwerken Synergien zu erschließen.

Auch der bundesweite Austausch mit anderen Landkreisen und Regionen spielt eine bedeutende Rolle. Im Vordergrund steht hierbei der Wissenstransfer, Best Practice Beispiele und die Vorstellung der Erkenntnisse aus den Modellvorhaben. So wurde beispielsweise das SREK beim benachbarten Landkreis Göttingen vorgestellt, da die Ausgangssituationen beider Landkreise sehr ähnlich sind. Darüber hinaus resultierte die Teilnahme am Bundesprogramm „Regionen gestalten“ in einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit anderen Modellregionen. Aber auch das Voneinander-Lernen sowie die Diskussion der eigenen Fortschritte und Herausforderungen werden in diesem Kontext explizit erwähnt und als sehr bereichernd angesehen.

Herausforderungen mit Transparenz und Kommunikation auf Augenhöhe entgegenwirken

Wie viele andere Regionen in Deutschland befindet sich auch der Landkreis Northeim in einem strukturellen Wandel. Nach der Typologie des Thünen-Instituts ist der Landkreis sehr ländlich mit einer weniger guten sozioökonomischen Lage. Dies lässt sich anhand einiger Aspekte deutlich erkennen; beispielsweise sind vielerorts die demografische Alterung und ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen. Solche Phänomene nehmen unmittelbaren Einfluss auf die Bedarfe der jeweiligen Stadt oder Gemeinde, müssen in Planungsprozessen berücksichtigt werden und wirken sich zudem auf die Entwicklungspotenziale aus. Die Möglichkeit zur Aktivierung von Brachflächen und leerstehenden Gebäuden ist in diesem Kontext besonders hervorzuheben.

Wesentliche Herausforderungen im Bereich der Regional- und Kreisentwicklung stehen in Verbindung mit den unterschiedlichen Verwaltungsebenen. Die Arbeit von Julia Gogrewe und ihrem Team zeigt, dass eine sensible sowie passgenaue Ansprache der Städte und Gemeinden und eine Begegnung auf Augenhöhe unerlässlich für eine gute Zusammenarbeit sind. Insbesondere Ortsbürgermeister*innen sehen sich oftmals in ihrer Ortsentwicklung eingeschränkt, wenn sie das Gefühl haben, dass der Landkreis sich als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde zu sehr in die kommunalen Belange einmischt. Hierbei ist vor allem die kommunale Planungshoheit zu berücksichtigen. Die Kreisverwaltung hat jedoch ein starkes Interesse daran, dass minder-und untergenutzte Grundstücke und Gebäude mit städtebaulichen Missständen auf der Stadt- und Gemeindeebene in den Blick genommen und dessen bedarfsgerechte und qualitätvolle Nachnutzung aktiv angegangen wird. Dabei sollte der Landkreis stets die Rolle eines Dienstleisters einnehmen.

„Wir haben den Kommunen immer gesagt, ihr seid die örtlichen Experten,
welche Flächen wollt ihr mit welchem Ziel entwickeln?
Wir als Landkreis sehen uns als Dienstleister - so dass deutlich wurde,
dass wir nicht in die Planungshoheit der Städte und Gemeinden eingreifen,
sondern sie hierbei aktiv beraten und unterstützen wollen.“
(
Julia Gogrewe)

Auf der Umsetzungsebene ergeben sich jedoch rechtliche Erschwernisse. So stellt die Datenschutz-Grundverordnung eine Hürde für das digitale Innenentwicklungskataster des Landkreises dar, die zu einem erheblichen Mehraufwand führt. Der Landkreis muss sich an dieser Stelle als Dienstleister für die Städte und Gemeinden absichern und kann seine theoretisch vorhandenen Möglichkeiten nicht ohne Weiteres nutzen. Diese explizite Absicherung und Abgrenzung, dass der Landkreis durch das Führen des Katasters lediglich eine reine Dienstleistung erbringt, erfolgt durch den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen. Die direkte Ansprache der Eigentümer*innen von potenziellen Entwicklungsflächen und -objekten erfolgt wiederum durch die Kommunen. Diese dient dazu, das Einverständnis für die Aufnahme in das Kataster zu erhalten und somit auch die diesbzgl. Informationen sichtbar zu machen.

Innovative Regional- und Kreisentwicklung im Landkreis Northeim – Nachhaltige Impulse für Innenentwicklung und Leerstandsaktivierung

Das Modellvorhaben im Landkreis Northeim zeigt einen ganzheitlichen und strategisch gut durchdachten Ansatz zur Innenentwicklung und Leerstandsbewältigung in einer strukturell herausgeforderten ländlichen Region. Mit dem Strategischen Regionalentwicklungskonzept (SREK) und einem kreisweiten digitalen Innenentwicklungskataster wurden wichtige Instrumente geschaffen, die eine bedarfsorientierte Aktivierung von Flächenpotenzialen ermöglichen. Die gezielte Identifikation von „Lupenräumen“ und die Konzeptskizzen zur Nachnutzung zeigen konkrete Entwicklungsperspektiven, insbesondere für gemeinschaftliches und barrierefreies (sowie öffentlich gefördertes) Wohnen mit sowohl städtebaulichen als auch Freiraum- und Aufenthaltsqualitäten.

Besonders hervorzuheben ist die kooperative Arbeitsweise zwischen Landkreis und Kommunen, die auf gegenseitigem Vertrauen, klarer Rollenverteilung und unterstützender Begleitung basiert. Die Vernetzung mit regionalen und überregionalen Partnern sowie der kontinuierliche Wissenstransfer stärken die regionale Entwicklung zusätzlich. Trotz der Herausforderungen, wie rechtliche Hürden oder dem sensiblen Umgang mit Leerstand, gelingt es dem Landkreis, durch transparente Kommunikation und Beteiligung der Eigentümer*innen die regionalen Potenziale zu aktivieren, ohne die kommunale Planungshoheit der Städte und Gemeinden zu tangieren.

Insgesamt steht der Landkreis Northeim beispielhaft für den vorausschauenden Umgang mit dem demografischen Wandel und den strukturellen Veränderungen in ländlichen Räumen. Durch strategische Planung, Vernetzung und partizipative Prozesse hat der Landkreis eine vielversprechende Grundlage geschaffen, um spezifische Bedarfe der kreisangehörigen Kommunen zu bedienen – und somit die regionale Entwicklung auf lange Sicht positiv zu gestalten.

Südniedersachsen

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Miteinander.Deersheim! – Wie aus einem Slogan eine Identität für den Ort geworden ist

Miteinander.Deersheim! – Wie aus einem Slogan eine Identität für den Ort geworden ist

In der kleinen Ortschaft Deersheim, die als Teil der Stadt Osterwieck im Landkreis Harz (Sachsen-Anhalt) liegt, öffnete im Jahr 2016 der neue Dorfladen seine Türen – als Reaktion auf die Schließung der Kaufhalle Ende des Jahres 2012, womit seinerzeit der letzte Nahversorger der Ortschaft wegbrach. Dies stellte insbesondere die ältere Bevölkerung Deersheims vor eine große Herausforderung. Im Rahmen des Forschungsprojektes „ZukunftsWerkStadt – Vision 20Plus – Gemeinsam mehr bewegen“ der Hochschule Harz und des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IEE) wurden damals erste Überlegungen angestellt, um die entstandene Versorgungslücke zu schließen. In der Ortsmitte ließ sich mit dem Geländekomplex „Edelhof“ schnell ein geeigneter Standort finden. Hierbei handelt es sich um einen aus dem 15. Jahrhundert stammenden Gutshof mit angrenzendem Herrenhaus, in dem lange die kommunale Verwaltung Deersheims ihren Sitz hatte und inzwischen die Kindertagesstätte beheimatet ist. Dieses ortsbildprägende Ensemble mit seiner kleinen Park- und Teichanlage war in der DDR-Zeit eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) und stand nach der Wende größtenteils leer. Anknüpfend an das Forschungsprojekt „ZukunftsWerkStadt“ wurde von den Bürger*innen Deersheims die Initiative „Miteinander.Deersheim!“ ins Leben gerufen. Diese erarbeitete das Konzept für das weitere Vorgehen im Ort und für den Aufbau eines Dorfladens. Auch die Gründung der Dorfladen-Genossenschaft im Jahr 2014 mit anfangs 89 Mitgliedern ist somit auf diese Initiative zurückzuführen.

Die Deersheimer Bürgermeisterin Melanie Huchel zusammen mit Hans-Jürgen Müller

„Dann hat unser damaliger Ortsbürgermeister gesagt:
Weißt du was, jedes Neugeborene in diesem Ort bekommt sofort
eine Genossenschaftsmitgliedschaft und ich zahle die 50 Euro.
Wir haben jetzt 182 Mitglieder mit einem Altersdurchschnitt von
unter 60 Jahren und das, obwohl das Dorf sicherlich älter ist.“
(Hans-Jürgen Müller)

Die amtierende Bürgermeisterin des Ortes Melanie Huchel sowie Hans-Jürgen Müller, ehemaliger Gewerkschaftssekretär, waren treibende Kräfte, die sich maßgeblich für den Dorfladen engagierten. Beide sind eng mit dem Ort verbunden. Melanie Huchel fühlt sich seit früher Kindheit in Deersheim verwurzelt; Hans-Jürgen Müller wohnt bereits seit 40 Jahren in der Ortschaft. Im Gespräch gaben sie Einblicke in die Entstehung und die aktuelle Situation des Dorfladens. Sie berichten, wie sich aus dem Slogan „Miteinander.Deersheim!“ ein starkes Gemeinschaftsgefühl entwickelt hat, welches sich im alltäglichen Betrieb des Mehrfunktionshauses deutlich beobachten lässt.

Innenansichten des Dorfladens: Verkaufstheke ...
... Ladenfläche ...
... das Café ...
... und die Mitmachküche

Die 300 Quadratmeter große Fläche des Dorfladens – mit Café, Galerie, kleinem Bücherflohmarkt, Mitmachküche und multifunktionalem Beratungsraum – erfüllt mittlerweile deutlich mehr Funktionen als die bloße Abdeckung der örtlichen Nahversorgung.

Im angrenzenden Gebäude des Komplexes, der Markthalle – einem ehemaligen und mittlerweile sanierten Ochsenstall – ist auf einer Fläche von 600 Quadratmetern sehr viel Platz für Veranstaltungen jeglicher Art. Beispielsweise finden hier Flohmärkte sowie die jährlichen Frühlings- und Herbstmärkte statt. Aber auch öffentliche Liveübertragungen von Fußballspielen hat es schon gegeben. Darüber hinaus ist es möglich, die Markthalle für Hochzeiten oder andere Feierlichkeiten anzumieten.

Platz für Veranstaltungen in der Markthalle: Außenansicht ...
... und Innenansicht

„Im Januar 2016 haben wir auf der Grünen Woche die Förderung gekriegt und im November wurde dieses Objekt eingeweiht. Das wurde sogar vom Ministerpräsidenten eröffnet mit den markigen Worten: Liebe Genossinnen und Genossen! Das war wirklich eine schöne Zeit und wir haben uns alle viel Mühe gegeben.“
(Hans-Jürgen Müller)

Ein Projekt mit Rückenwind: Förderprogramme für Deersheim im Überblick

Im Gespräch wurde über die Impulse und den Prozess – von der Projektidee bis hin zur Eröffnung im Jahr 2016 unter Anwesenheit des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff – gesprochen. Im Vordergrund standen darüber hinaus die Finanzierung des Vorhabens und des gesellschaftlichen Engagements, ohne welches der Dorfladen so nicht existieren würde. Aber auch in einer solchen „Cinderella-Story“ laufen nicht immer alle Dinge reibungslos. Es wurden auch aktuelle Probleme und Herausforderungen thematisiert, insbesondere was den Betrieb des Dorfladens betrifft.

Die Förderung des Projektes „Miteinander.Deersheim!“ und des Dorfladens setzte sich aus Bundes- und Landesmitteln zusammen. Die Gelder kamen aus dem LEADER-Programm, aus dem Bundesprogramm Ländliche Entwicklung (BULE) vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), dem Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten (MWL) und dem heutigen Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt (MWU). Eine weitere finanzielle Basis bilden die Genossenschaftsanteile der Dorfladen eG. Diese kosten 50 Euro pro Anteil und jedes Mitglied der Genossenschaft muss mindestens einen Anteil zeichnen. Es können aber beliebig viele Anteile gezeichnet werden, um die Unterstützung zu erhöhen. Insbesondere diese finanziellen Mittel spielen eine bedeutende Rolle, vor allem für den laufenden Betrieb, aber auch für die Umsetzungsphase des Projekts. Ohne die zuvor genannten Fördermittel wäre die Realisierung jedoch nicht möglich gewesen.

Zwischen 2011 und 2013 flossen erstmals Fördergelder in Form von LEADER-Mitteln, vergeben an die Stadt Osterwieck, für die Sanierung des Gebäudekomplexes „Edelhof“. Mit einer Förderung von insgesamt 240.000 Euro konnte zum einen die historische Bausubstanz erhalten werden. Zum anderen ist hierdurch auch der Ortskern aufgewertet worden. Im Zuge dieser Sanierung wurde die Edelhofhalle, als großer Veranstaltungsort für den Ort, geschaffen, aber auch die Gebäudeteile für den späteren Dorfladen und die Markthalle profitierten davon. Rückblickend stellte diese Instandsetzung des Gebäudekomplexes deshalb die Grundlage für die zukünftige Standortentscheidung für den Dorfladen dar, da eine bedeutende Investition somit schon im Vorfeld getätigt worden ist.

Das BMEL würdigte das Engagement in Deersheim und wählte „Miteinander.Deersheim!“ als Leuchtturm-Projekt aus. Im Rahmen der Internationalen Grünen Woche (IGW) 2016 in Berlin wurde die Deersheimer Initiative vorgestellt und eine Förderung in Höhe von 150.000 Euro an die Verantwortlichen überreicht. Diese Gelder leisteten einen maßgeblichen Beitrag zum Ausbau und zur Umgestaltung des denkmalgeschützten Gebäudes. Zudem rückte die Würdigung auf der Grünen Woche das Projekt in ein öffentliches Licht und verschaffte ihm große Aufmerksamkeit.

Wie bereits erwähnt kamen die initialen Fördermittel, im Rahmen des Forschungsprojektes „ZukunftsWerkStadt“, im Jahr nach der Schließung der örtlichen Kaufhalle. Hierbei handelte es sich um eine Förderung auf Landesebene, die durch das MWL vergeben worden ist. Weitere Fördergelder gewährte 2020 das MWU im Rahmen des Modellprogramms „DorfGemeinschaftsladen“. In diesem Programm ist der Dorfladen Deersheim mit zusätzlichen 91.000 Euro unterstützt worden.

Bei der Finanzierung der Initiative und des Dorfladens lässt sich ein Dreiklang aus Kreditfinanzierung, öffentlichen Geldern und Genossenschaftsanteilen erkennen. In der Verstetigung kommen die laufenden Einnahmen des Dorfladens oder Einnahmen aus der Vermietung der Markthalle dazu. Laufende Kosten des Betriebs werden hieraus beglichen.

Ohne Netzwerk kein Projekt: Der Dorfladen als Gemeinschaftswerk

Die Bedeutung einer guten Vernetzung ist bereits in anderen Artikeln in diesem Blog deutlich geworden. Diese gestaltet sich sehr individuell und sieht in jeder Region und für jedes Projekt anders aus. Trotz dieser Unterschiede lässt sich erneut feststellen: Ohne ein engagiertes Netzwerk mit seinen verschiedenen Akteur*innen wird die Realisierung eines Vorhabens deutlich erschwert.

Die wohl relevanteste Gruppe an Personen im Netzwerk des Dorfladens stellt die Bevölkerung von Deersheim selbst dar. Bereits während des Forschungsprojektes „ZukunftsWerkStadt“, im Zeitraum von 2012 bis 2013, spielten die Bürger*innen eine wichtige Rolle. Durch den partizipativen Charakter des Projekts wurden die Menschen vor Ort bereits von Beginn an einbezogen. Anfangs erfolgte die Einbindung über eine groß angelegte Befragung, in der gezielt die Bedürfnisse der Bevölkerung abgefragt wurden. Später wurden Möglichkeiten geschaffen, sich aktiv in die Gestaltung der Markthalle und des Dorfladens einzubringen. Am Ende stand die Entscheidung, den Bürger*innen die Möglichkeit zu geben, selbst Genossenschaftsanteile zu zeichnen, um somit Teilhaber und Unterstützer des Dorfladens zu werden.

„Da haben wir wieder das Ehrenamt,
denn ohne ehrenamtliches Engagement geht hier gar nichts.“
(Melanie Huchel)

Die Stadt Osterwieck wird im Gespräch als wichtiger Unterstützer genannt. Sie ist Eigentümer des Gebäudekomplexes und schloss 2015 mit der Genossenschaft einen Nutzungsvertrag über 25 Jahre bis 2040. Dieser legt unter anderem fest, dass die Genossenschaft lediglich die Nebenkosten zahlen und ansonsten die Räumlichkeiten mietfrei nutzen kann. Von Seiten der Stadt Osterwieck stellt dieses Entgegenkommen eine besondere Wertschätzung des Engagements in Deersheim dar – und zugleich eine enorme finanzielle Entlastung für den Dorfladen.

Weitere Unterstützung kam von verschiedenen Organisationen mit relevanter Expertise. Hierzu zählen beispielsweise die Hochschule Harz, eine Rechtsanwaltskanzlei sowie ein Architekturbüro. Letzteres half bei der Planung der Sanierung der Gebäude, in denen sich heute der Dorfladen und die Markthalle befinden. Die Kanzlei beriet die Projektverantwortlichen hinsichtlich der Gesellschaftsform, mit der „Miteinander.Deersheim!“ zukünftig agieren und der Dorfladen betrieben werden sollte. Anfänglich gab es Überlegungen, eine GmbH & Co. KG zu gründen, da aber bereits viele Bürger*innen früher Mitglieder der Konsum-Genossenschaft gewesen waren, fiel die Wahl zugunsten der Genossenschaft (eG) als Rechtsform. Mit der Hochschule Harz hatten die Deersheimer bereits bei ihren ersten Überlegungen, im Rahmen des Forschungsprojekts „ZukunftsWerkStadt“, einen kompetenten Partner an ihrer Seite. Sie stellte einerseits die wissenschaftliche Begleitung und unterstützte bei der Konzeptionierung sowie der Durchführung der Bürgerbeteiligungsprozesse. Durch die Impulse dieser Begleitforschung ist aus „Miteinander.Deersheim!“ letztlich das erwachsen, was heute in Form des Dorfladens und der Markthalle noch immer Bestand hat.

Neben dem Architekturbüro waren auch die örtlichen und regionalen Handwerksbetriebe eine wichtige Säule. Sie führten die Sanierungsarbeiten durch und bauten die Räumlichkeiten des Dorfladens und der Markthalle um. Dabei kamen sie den Bauverantwortlichen preislich sehr entgegen, weil sie ihren Einsatz auch als Beitrag für ihren Ort bzw. ihre Region sahen. Dies kann als Zeichen der Verbundenheit mit ihrer Heimat oder als Würdigung des Engagements in Deersheim verstanden werden – und führte zu einer weiteren finanziellen Entlastung des Projektes.

„Wenn wir über Unterstützung sprechen: Das Eigentliche und Wertvollste, von dem, was damals alles passiert ist, das haben Frau Selke und Frau Eichloff gemacht.“
(
Hans-Jürgen Müller)

Entscheidend waren aus Sicht von Melanie Huchel und Hans-Jürgen Müller aber vor allem die Macher*innen im Ort, insbesondere zu Beginn des Projektes. Wie Hans-Jürgen Müller im Gespräch immer wieder betonte, waren insbesondere Elke Selke und Carola Eichloff maßgeblich für die Initiierung und das anfängliche Vorankommen verantwortlich. Elke Selke stammt selbst aus Wernigerode, setzte sich aber aufgrund ihrer Tätigkeit in der Wirtschaftsförderung sehr für Deersheim ein. Sie arbeitete zu dieser Zeit im Agenda 21-Büro des Landkreises Harz. Dieses war mit der Umsetzung der lokalen Agenda 21 befasst, welche sich Themen der nachhaltigen Entwicklung in den Kommunen widmete. Carola Eichloff, verheiratet mit einem örtlichen Bauunternehmer und gleichzeitig in dem Unternehmen tätig, brachte Expertise zu baulichen Fragen ein. Die beiden Frauen übernahmen federführend grundlegende Aufgaben, kümmerten sich um Fördermöglichkeiten und brachten von Anfang an ein großes Netzwerk mit. Auch der ehemalige Ortsbürgermeister Wolfgang Englert und die amtierende Bürgermeisterin Melanie Huchel fanden durch Hans-Jürgen Müller lobende Erwähnung. Herr Englert entschied seinerzeit, jedem neugeborenen Kind eine Mitgliedschaft in der Genossenschaft zu schenken und bezahlte diese aus privaten Mitteln. Mit der Übernahme des Bürgermeisteramts behielt Melanie Huchel dies bei, beschenkt weiterhin die Kinder in Deersheim zu ihrer Geburt und begrüßt so die neuen Genoss*innen in der Dorfgemeinschaft.

Zwischen Ideal und Realität: Die Herausforderungen des Dorfladens Deersheim

Im Großen und Ganzen sei es immer ziemlich problemlos abgelaufen, erinnerte sich Hans-Jürgen Müller. Die Zustimmung sei durchweg sehr hoch und die Bürger*innen von Deersheim hätten stets hinter dem Vorhaben gestanden. Der damalige Bürgermeister und auch die amtierende Bürgermeisterin Melanie Huchel waren und sind große Unterstützer. Auch die Stadt Osterwieck, der Landkreis, die Landes- und Bundesebene standen dem Projekt wohlwollend gegenüber. Zwei Herausforderungen sind aus der Sicht von Hans-Jürgen Müller jedoch zu erkennen: Die finanzielle Situation des Dorfladens sowie die Gewinnung des Personals und der Engagierten, ohne die ein Betrieb nicht möglich wäre.

Im Falle des Dorfladens geht es nicht um das Erwirtschaften von Gewinnen. Wichtig ist es jedoch, dass die laufenden Kosten gedeckt werden. Die Miete entfällt zwar, Nebenkosten müssen jedoch bezahlt werden. Neue Waren müssen beschafft und die Angestellten bezahlt werden. So berichtete Hans-Jürgen Müller, dass der Dorfladen zum ersten Mal im Jahr 2020 schwarze Zahlen geschrieben habe. Seitdem ist es ein wirtschaftliches Auf und Ab, aber der Laden konnte Defizite bislang immer wieder ausgleichen und das Dorf weiterhin versorgen.

„Die größten Herausforderungen sind die finanziellen und die personellen.
Wir brauchen für den Betrieb Fachpersonal und Leute, die sich engagieren.
Und wie bereits gesagt, im letzten Jahr haben wir ein Minus gemacht,
davor das Jahr war es ein Plus und dieses Jahr, wenn alles gut läuft,
machen wir auch wieder Gewinn. Das ist immer so ein Hin und Her.“
(
Hans-Jürgen Müller)

Eine weitere Herausforderung, die sich derzeit etwas entspannt, betrifft die personelle Ausstattung des Dorfladens. Ausschließlich über Ehrenamt und persönliches Engagement ist der Betrieb nicht zu bewerkstelligen. Dieser wird durch Fachpersonal und geringfügig Beschäftigte aufrechterhalten, wobei der gesetzlich geregelte Mindestlohn gezahlt wird. Einerseits ist es Hans-Jürgen Müller als ehemaligem Gewerkschafter wichtig, einen anständigen Lohn zu zahlen, zumal dies auch Anreize für Arbeitnehmer*innen schafft und die Personal-Akquise begünstigt. Andererseits bringt der rasche Anstieg des Mindestlohns auf nun bald 15 Euro mit sich, dass der Dorfladen Deersheim – wie viele andere Dorfläden auch – vor neuen finanziellen Herausforderungen steht, die möglicherweise aus eigener Kraft nicht bewältigt werden können.

Miteinander statt Stillstand: Wie Deersheim sich aktiv gegen den Strukturwandel stellt

Die Initiative „Miteinander.Deersheim!“ und der daraus hervorgegangene Dorfladen zeigen deutlich, wie sich eine engagierte Dorfgemeinschaft erfolgreich gegen die strukturellen Veränderungen im eigenen Ort stellen kann. Am Anfang stand die Ladenschließung der Kaufhalle in Deersheim. Daraufhin machte sich die Dorfgemeinschaft intensiv Gedanken über die Zukunft des Ortes. Im Zuge dessen wurden weitere Defizite der Daseinsvorsorge thematisiert, beispielsweise eine fehlende Arztpraxis oder fehlende Bank- und Postfilialen. Vieles wollte man angehen: Einen Friseursalon hätte man in einem Raum des Dorfladens unterbringen können und wollen. Eine Gemeindeschwester hätte einen Platz für ihre Behandlungen bekommen. Man war bereits mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und mit Krankenkassen im Gespräch und es wurde finanzielle Unterstützung in einem Modellprojekt zugesagt. Am Ende ließen sich jedoch weder Friseur*innen, noch eine Gemeindeschwester oder Ärzt*innen gewinnen. Dennoch zeigen diese Initiativen, dass die Deersheimer*innen bereit sind, ihre Probleme selbst in die Hand zu nehmen, was ihnen 2017 eine Auszeichnung mit dem Demografiepreis des Landes Sachsen-Anhalt und 2018 eine Nominierung für den Deutschen Engagementpreis einbrachte. Aus dem Slogan „Miteinander.Deersheim!“ hat sich eine zukunftsweisende Philosophie für den Ort entwickelt und der Dorfladen als Teil des Mehrfunktionshauses steht für das gelebte Engagement der Dorfgemeinschaft.

Der Dorfladen in Deersheim: Nahversorger, Poststation und sozialer Ort
Landkreis Harz

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Neuer Glanz für die alte Bäckerei – die Sanierung eines historischen Gebäudes mit Auszeichnung

Neuer Glanz für die alte Bäckerei – die Sanierung eines historischen Gebäudes mit Auszeichnung

Das großvolumige Fachwerkgebäude der alten Bäckerei in der Obergasse 11 blickt bereits auf eine lange Vergangenheit zurück. In den 1760er Jahren am Fuße des Burgbergs erbaut, stellt es damals wie heute ein stadtbildprägendes Bauwerk für die Altstadt Felsbergs im Schwalm-Eder-Kreis dar. Seit seiner Zeit als Bäckerei wurde es auf ganz unterschiedliche Weise genutzt, beispielsweise als Tattoo Studio, türkisches Männercafé oder asiatisches Restaurant, bevor es leer stand. Im Jahr 2015 entschieden sich Sonja Clobes-Jacob und ihr Mann Christian Jacob, das historische Fachwerkgebäude zu erwerben, ihm wieder zu altem Glanz zu verhelfen und es langfristig mit neuem Leben zu füllen. Das Ehepaar entschied sich bewusst für ein historisches Gebäude, welches sie denkmalpflegerisch vorbildlich sanierten und einer Mehrfachnutzung zuführten und sich damit gleichzeitig einen langgehegten Traum erfüllten.

„Was wir hier natürlich geschaffen haben, ist ein bleibender Wert,
der uns noch überleben wird. Es handelt sich um ein Haus von 1769
und das wäre jetzt in sich zusammengefallen.“
(Christian Jacob)

„Dann habe ich zu meinem Mann gesagt, lass uns doch das alte Haus kaufen
und dann mache ich oben meine Kanzlei rein und unten soll dann das Café rein.
Weil, schon als Kind wollte ich gerne ein Café haben.“
(Sonja Clobes-Jacob)

Das Café „Einfach nur so“ in der alten Bäckerei (© 2017 Christian Jacob)

Sonja Clobes-Jacob und ihr Mann Christian stammen ursprünglich aus Felsberg und kannten deshalb das historische Fachwerkgebäude in der Felsberger Altstadt und seine Geschichte. Beide sind in der Kleinstadt in der Stadt- und Regionalentwicklung aktiv und am Erhalt der Funktionalität Felsbergs, aber auch am Erhalt der historischen Bausubstanz interessiert. Durch ihre Tätigkeit als Vorsitzende des Haus- und Grundbesitzervereins wusste Sonja Clobes-Jacob, dass die alte Bäckerei zum Verkauf stand. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten für ihre Anwaltskanzlei. Im Juni 2015 fiel deshalb die Entscheidung für den Ankauf der Immobilie.

Die Bausubstanz war in einem schlechten Zustand. Im Innenraum fehlten zum Teil tragende Fachwerkelemente, der Gewölbekeller war teilweise einsturzgefährdet und die Außenfassade musste vorübergehend abgestützt werden.

„Das Haus war teilweise nur mit Stützen abgestützt und man konnte durchgucken,
weil ganz viele Balken verfault waren und es musste ganz viel neu eingezogen werden.“
(Christian Jacob)

Seitenansicht des Gebäudes vor ...
... und nach der Sanierung (© 2015/17 Christian Jacob)

Trotz des maroden Zustands renovierte das Paar, zum Teil mit einem hohen Einsatz an Eigenleistung, die alte Bäckerei in nur gut einem Jahr. Der Einzug der Kanzlei erfolgte bereits im März 2016.

Im Sommer desselben Jahres folgten die Eröffnung des Cafés „Einfach nur so“ im Erdgeschoss des Gebäudes und die Vermietung der Ferienappartements im oberen Geschoss des Hauses.

Innenansichten aus dem Treppenaufgang des Hauptgebäudes (© 2017 Christian Jacob)

Auch das benachbarte Fachwerkgebäude, in welchem sich heute ein Lädchen für Antiquitäten und das erlebnisgastronomische Restaurant „KontrastReich“ befinden, wurde von ihnen nahezu zeitgleich saniert. Die Fertigstellung erfolgte im November 2017.

Lädchen im Nebengebäude (© 2017 Christian Jacob)
KontrastReich im Nebengebäude (© 2017 Christian Jacob)
Gewölbekeller (© 2017 Christian Jacob)

Zwischen Zuschüssen und Eigenmitteln: Wie Eigenleistung und private Gelder die Rettung ermöglichten

Die Finanzierung der Sanierung des baufälligen Fachwerkgebäudes stellte eine Herausforderung dar. Den neuen Eigentümer*innen war es wichtig, das historische Gebäude nicht nur zu erhalten, sondern seinen ursprünglichen Zustand so gut es geht wiederherzustellen. Eine solche denkmalpflegerische Instandsetzung ist zumeist sehr aufwendig, mit erhöhten Baukosten verbunden und erfordert ein hohes Maß an Absprachen mit den entsprechenden Behörden. Vor dem Hintergrund der denkmalgerechten Sanierung wurde das Vorhaben durch die untere Denkmalschutzbehörde in Homberg (Efze) begleitet und mit Kleinförderungen der Denkmalpflege unterstützt. Den wesentlichen Teil der Finanzierung machten jedoch Mittel aus dem Städtebauförderungsprogramms „Stadtumbau West“ aus (siehe Info-Kasten). Im Jahr 2017 wurden die Bauverantwortlichen für ihre Bemühungen mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis ausgezeichnet. Diese Prämierung wurde mit dem Erhalt des Gewölbekellers und der Aufarbeitung der historischen Eingangstür aus dem frühen 19. Jahrhundert begründet. Das Preisgeld stellte einen finanziellen Zuschuss für die Sanierung dar.

Historische Eingangstür aus dem frühen 19. Jahrhundert (© 2015/17 Christian Jacob)

Stadtumbau West war ein Bund-Länder-Programm, welches sich an Städte und Gemeinden der alten Bundesländer richtete, die vom demografischen und wirtschaftlichen Strukturwandel besonders betroffen sind. In seiner Laufzeit von 2004 bis 2016 wurden in 529 Kommunen mehr als 947 Millionen Euro an Bundesfinanzhilfen zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2017 wurde Stadtumbau West mit seinem Pendant Stadtumbau Ost zum Programm Stadtumbau zusammengelegt. Bis 2019 wurden hierüber in rund 1.120 Kommunen insg. 2.011 Maßnahmen umgesetzt. Seit 2020 werden die Förderziele des Stadtumbaus im Programm „Wachstum und Erneuerung“ weitergeführt, welches zusammen mit den beiden anderen Teilprogrammen „Lebendige Zentren“ und „Sozialer Zusammenhalt“ die aktuelle Städtebauförderung bildet. Träger der Förderung ist das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB). Das Ziel dieser Programme der Städtebauförderung war und ist es auch weiterhin, Kommunen dabei zu unterstützen, sich auf notwendige Anpassungsprozesse vorzubereiten oder auf diese zu reagieren.

Eine weitere Säule der Finanzierung bildeten LEADER-Mittel dar. Über die Region Mittleres Fuldatal bewarben sich die Bauverantwortlichen für die Förderung ihres Vorhabens, die alte Bäckerei in der Altstadt Felsbergs wiederzubeleben. Der Antrag stieß auf großen Zuspruch und der Mittelzuschlag wurde schließlich per Beschluss bewilligt.

„Das Problem von diesen ganzen Förderprogrammen ist auch,
dass das dann so wie mit der Gießkanne ist. Man darf ja keinen ausschließen
und dann kriegen sie geringfügige Beträge und
können damit nicht wirklich viel machen.“
(
Christian Jacob)

Laut Christian Jacob deckten die akquirierten Fördermittel zwischen 10 und 15 % des Gesamtvolumens der Sanierung. Der Hauptanteil der Ausgaben wurde aus Eigenmitteln finanziert. Hinzu kamen viele Eigenleistungen bei den Arbeiten am und im Gebäude, was zur zügigen Umsetzung und Kostenersparnis beitrug.

Familie, Freunde und Fachleute – das soziale Umfeld als Schlüssel zum Erfolg

Die Stadt Felsberg spielte bei der Umsetzung des Vorhabens eine eher untergeordnete Rolle. In erster Linie belief sich die Mithilfe der Stadt auf die Verteilung bzw. Bewilligung der Fördermittel aus dem Städtebauförderungsprogramm „Stadtumbau West“. Die Zuständigkeit der Mittelvergabe obliegt der Stadt und die Bewilligung erfolgte durch einen Ratsbeschluss. Daneben wurde die gute und produktive Zusammenarbeit mit der unteren Denkmalschutzbehörde in Homberg als Erfolgsfaktor benannt. Christian Jacob hob vor allem die Bedeutung des mittlerweile verstorbenen Denkmalpflegers Prof. Dr. Peer Zietz – welcher auch eine besondere Rolle bei der Wiederherstellung der Synagoge Felsberg spielte – hervor.

„Aber wer wirklich ein wichtiger Kooperationspartner und
großer Unterstützer gewesen ist, das war der ehemalige Denkmalschützer
für den Kreis hier, der Professor Zietz, der war super.

Auch die von der unteren Denkmalschutzbehörde, die in Homberg
für die Anträge zuständig waren, sind auch sehr kooperativ gewesen.“
(Christian Jacob)

Wie bei vielen Projekten der Regionalentwicklung war auch für die Sanierung der alten Bäckerei das Förderprogramm LEADER und die Zusammenarbeit mit dem Regionalmanagement von großer Bedeutung. Marion Karmann, Geschäftsführerin und Regionalmanagerin der LEADER-Region Mittleres Fuldatal, begleitete das Projekt von der Antragstellung bis zur Umsetzung und Abwicklung. Sie betreute und beriet die Bauverantwortlichen zu den verschiedenen Fördermöglichkeiten und unterstützte sie in den einzelnen Projektphasen. Als direkte Ansprechpartnerin für LEADER und Stadtumbau in Hessen informierte sie darüber, welche konkreten Maßnahmen förderfähig sind und welche der Förderungen in Frage kommen. Zudem half sie dabei, den teilweise sehr mühsamen Prozess der Antragstellung zu bewältigen.

Eine bedeutende – wenn nicht sogar die bedeutendste – Rolle spielte das soziale Umfeld des Paares. Familie und Freunde brachten sich sehr stark in den Umbau des Gebäudes mit ein – von der Entrümpelung über Bau- und Renovierungsarbeiten bis hin zur Vermittlung ortsansässiger Handwerker der verschiedenen Gewerke – und sorgten für ein zügiges Vorankommen des Projektes. Insbesondere die eigene Leistung und der starke Antrieb, das Projekt schnell umzusetzen, führten zur Realisierung des Vorhabens innerhalb eines Jahres.

„Also, wir haben hier selber gestrichen, wir haben selber abgerissen
und vor allen Dingen haben wir hier selber entmüllt.“
(Christian Jacob)

Die Verwurzelung in der Region und die damit verbundenen Beziehungen zu örtlichen Handwerksbetrieben war den Bauverantwortlichen ebenfalls von Nutzen. Diese wichtigen Kontakte und die schnelle Verfügbarkeit von Handwerker*innen sorgten dafür, dass Arbeiten, welche das Ehepaar und die Familie nicht allein leisten konnten, zeitnah erledigt wurden. Insbesondere ein fähiger Zimmermann sorgte schnell dafür, dass die Statik des stellenweise maroden Gebäudes stabilisiert wurde und die Fassade des Gebäudes nicht mehr einsturzgefährdet war.

Zwischen anfänglichen Hürden und positiver Entwicklung

Der Kauf, die Planung und die Umsetzung der Idee seien anfangs recht blauäugig angegangen worden, erinnert sich Christian Jacob, zumal sich die Unterstützung durch die Stadt Felsberg auf die Beantragung der Städtebauförderung beschränkte. Insbesondere ein engagierter Fürsprecher im Stadtrat, der die übrigen Ratsmitglieder von dem Vorhaben überzeugen konnte, spielte hierbei eine wichtige Rolle.

Eine weitere Herausforderung, die auch heute noch existiert, liegt in der Schwierigkeit, geeignete Arbeitnehmer*innen für den Betrieb des Cafés zu bekommen und vor allem langfristig zu halten. Insbesondere während und unmittelbar nach der Covid-Pandemie war es schwer, Menschen für die Arbeit in der Gastronomie zu finden. Dazu kommt die unmittelbare Nähe zur Stadt Melsungen, welche mit Firmen wie B. Braun attraktive und lukrativere Arbeitsplätze bietet. Diese Situation hat sich mittlerweile jedoch deutlich entspannt, nachdem zwei Nachbar*innen den Betrieb übernommen haben und das Café nun zuverlässig betreiben. Darüber hinaus führt die Verbundenheit der neuen Betreiber*innen mit der Stadt Felsberg zu positiver Resonanz und steigenden Besucherzahlen des Cafés.

Mehr als Kaffee und Kuchen: Wie das Café einen Beitrag zum Miteinander leistet

Anfängliche Skepsis seitens der Bevölkerung begleitete die Planungs- und Umsetzungsphase des Vorhabens. Das Paar ließ sich dadurch jedoch nicht beirren und verfolgten seine Ziele weiter. Mittlerweile hat sich das Café etabliert und wird von der Felsberger Bevölkerung, aber auch von Menschen von außerhalb, gut genutzt. Durch einzelne Veranstaltungen wird das Angebot erweitert. Dazu zählt insbesondere der jährliche Weihnachtsmarkt im Innenhof des Gebäudes, der einen wichtigen Beitrag für das gesellschaftliche Miteinander in Felsberg leistet. Der Weihnachtsmarkt wird in Kooperation mit zwei anderen Gastronomen realisiert.

 „Was bei uns total gut angenommen wird, ist der Weihnachtsmarkt.
Also dieser kleine Weihnachtsmarkt, da fragen die Leute das ganze Jahr über:
Macht ihr das dieses Jahr wieder?“
(
Sonja Clobes-Jacob)

Die denkmalgerechte Sanierung des historischen Gebäudes, in welchem vormals eine Bäckerei beheimatet war, die Eröffnung des Cafés „Einfach nur so“ und alle weiteren Angebote stehen heute sinnbildlich für eines: Das Festhalten an einem Wunsch oder einer Idee – auch bei aufkommendem Widerstand – zahlt sich aus. Entschlossenheit, die erfolgreiche Einwerbung von Fördermitteln und die breite Unterstützung aus dem sozialen Umfeld führten letztlich zum Erfolg. Mit ihrem Café haben die Eheleute einen Ort der Begegnung geschaffen und zugleich einen wichtigen Beitrag zum Erhalt historischer Baukultur geleistet. Das historische Fachwerkgebäude in der Obergasse ist ein wichtiger Beitrag zur Innenstadtbelebung Felsbergs und soll anderen Bürger*innen als Vorbild dienen, den historischen Ortskern wieder attraktiver werden zu lassen. Kaffee und Kuchen spielen hierbei jedoch auch weiterhin eine bedeutende Rolle!

Weihnachtsmarkt im Innenhof des Cafés (© 2017 Christian Jacob)
Schwalm-Eder-Kreis

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Ein Beispiel für eine gelungene Wiedernutzung, Bewahrung historischen Erbes und den Erhalt von Baukultur

Ein Beispiel für eine gelungene Wiedernutzung, Bewahrung historischen Erbes und den Erhalt von Baukultur

Die historische Kleinstadt Felsberg im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis wurde im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt. Sie liegt an der Eder und wird von der Felsburg, einer aus dem 11. Jahrhundert stammenden mittelalterlichen Burgruine, überragt, die der Stadt ihren Namen gab. Die Kleinstadt und die Region sind geprägt von Fachwerkhäusern und einer abwechslungsreichen Umgebung, die sowohl für die Bevölkerung als auch für den Tourismus attraktiv sind.

Die Mitte des 19. Jahrhundert im klassizistischen Stil erbaute Synagoge steht im historischen Ortskern von Felsberg, in einer der vielen schmalen Gassen der Kleinstadt. Bevor sie von 2013 bis 2022 leerstand, wurde sie als Gastwirtschaft und später als Restaurant, mit darüber liegenden Wohnräumen, genutzt. In ihren Fenstern spiegelt sich die Felsburg und die evangelische Stadtkirche ist nur einen Steinwurf weit entfernt. Bei dem Gebäude der alten Synagoge handelt es sich um eines der wenigen und frühesten aus Stein gebauten historischen Gebäude der Stadt. Dies alles macht auf den ersten Blick klar, welche Bedeutung es für den Ort hatte. Hier, in der Ritterstraße 3, haben wir uns mit Christopher Willing, dem ersten Vorsitzenden des Vereins „Rettet die Synagoge Felsberg“ zum Gespräch getroffen. Wir wollten von ihm mehr über die Motivation zur Wiederbelebung der Synagoge und die Erfolgsfaktoren erfahren. Auch über Erschwernisse und Hürden, mit denen während des Prozesses umzugehen war, haben wir gesprochen.

Schaffung eines Ortes gelebter jüdischer Geschichte und Kultur

Hessen spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte des Judentums in Deutschland, insbesondere durch das ausgeprägte Landjudentum. Um 1900 existierten hier rund 450 jüdische Gemeinden, etwa ein Drittel aller jüdischen Gemeinden im Deutschen Reich. Diese hohe Dichte geht auf die Einladung des Landgrafen von Hessen-Kassel nach dem Dreißigjährigen Krieg zurück, um Bevölkerungsverluste auszugleichen. Im ländlichen Raum, etwa in Felsberg, wo Juden bis zu 20 % der Bevölkerung stellten, wurde jüdisches Leben sichtbarer Bestandteil des Alltags in den Gemeinden. Im Vergleich dazu war das Landjudentum in anderen Teilen Deutschlands, etwa im Osten Deutschlands oder in Niedersachsen, nahezu unbekannt, abgesehen von vereinzelten Ausnahmen wie, im Falle von Niedersachsen, in Ostfriesland.

Die Synagoge zeugt von der Bedeutung der jüdischen Gemeinde in Felsberg. Ihre Errichtung war ein Zeichen von Wohlstand, gefördert durch Spenden ausgewanderter Unterstützer*innen. An der Einweihungsfeier im Jahr 1847 nahmen 300 Personen teil, während sich circa 1.000 weitere vor der Synagoge versammelten – beachtlich für eine Kleinstadt dieser Größe, die zu dieser Zeit knapp 200 jüdische Gemeindemitglieder hatte.

Nach der Verfolgung und Enteignung der jüdischen Gemeinde im Nationalsozialismus – das Gebäude blieb im Gegensatz zum Innenraum dank des beherzten Eingreifens weniger Anwohner*innen weitgehend unversehrt – begann im Jahr 2007 eine neue Phase: Der geplante Rückkauf des, als Gastronomie genutzten, Gebäudes und die Wiedernutzung der Synagoge als Gebetshaus. Ein erstes Konzept stellte Herr Willing den Vertreter*innen der Stadt im Jahr 2008 vor. Nach der Gründung des Vereins „Rettet die Synagoge Felsberg“ im Jahr 2013 und der Bewilligung von Fördergeldern im darauffolgenden Jahr, kaufte der Verein das Gebäude im Jahr 2016 endgültig an. Der Restaurantbetrieb wurde bereits im Jahr der Vereinsgründung eingestellt, sodass das Gebäude seit 2013 leerstand.

Felsberg und angrenzendes Umland
Synagoge Felsberg
Gedenktafel vor der Synagoge
Bauherr und Vereinsvorsitzender Christopher Willing (© 2022 Christopher Willing)

„Für mich ist es eine Herzensangelegenheit,
das deutsche Judentum erlebbar zu machen
und nicht nur auf die zwölf Jahre der NS-Zeit zu reduzieren,
sondern die 900-jährige jüdische Geschichte in der Region zu betonen.“

Auf Initiative des Vereins wurde, wie bereits erwähnt, in den Jahren 2007 und 2008 ein umfassendes Konzept entwickelt, das vier Säulen umfasst: Die Gemeinde, den interreligiösen Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen, die jüdische Geschichte in Nordhessen und die denkmalgerechte Wiederherstellung. Nach umfangreichen Bau- und Sanierungsarbeiten in den Jahren ab 2016 wurde die Synagoge im Jahr 2022 als Gebets- und Kulturstätte wiedereröffnet. Dies war ein Ereignis von immenser Bedeutung – nicht nur für die kleine Stadt Felsberg, sondern auch für die gesamte Region. Über die religiöse Nutzung hinaus besitzt das Gebäude aufgrund seiner Bauweise im klassizistischen Stil auch kulturelle Bedeutung.

Förderung und Engagement als Schlüssel zum Erfolg

Der entscheidende Startschuss zur Wiederbelebung der Synagoge fiel 2014, als Fördermittel vom Land Hessen und weiteren Institutionen bewilligt wurden. Mit Unterstützung der Regionalmanagerin der LEADER-Region Mittleres Fuldatal, Marion Karmann, und der Stadt Felsberg als Antragsteller, erhielt der Verein zur Rettung der Synagoge die nötigen Mittel für die Restauration. Die Gründung des Vereins war eine Bedingung, dass Fördermittel ausgezahlt werden konnten. Ein Großspender, dessen Zusage das Vertrauen der Stadt gewann und die Umsetzung erst ermöglichte, sorgte für die zügige Realisierung der Umbaumaßnahmen. Er bestand darauf, dass die Bauarbeiten effizient und ohne Verzögerungen durchgeführt wurden. Ermöglicht wurde dies durch die umfassenden Netzwerke des privaten Förderers und Christopher Willings.

Mit einem Gesamtvolumen von 1,35 Millionen Euro, wovon über 800.000 Euro durch Förderungen gedeckt wurden, war die Finanzierung eine komplexe Herausforderung, die dank der Unterstützung vieler Akteur*innen gemeistert werden konnte. Unter anderem unterstützten auch das Innenministerium des Landes Hessen und die Deutsche Stiftung Denkmalpflege das Projekt. Zusätzlich sind mittlerweile über 700.000 Euro an Spendengeldern eingegangen. Diese und weitere Spendengelder sowie kleinere Kulturförderungen und Einnahmen aus Veranstaltungen stellen einen wesentlichen Beitrag zur Deckung laufender Kosten dar.

„Nach zwei Jahren hatten wir über 25 Artikel in der HNA über das Projekt
und was wir alles machen. Das half, einem potenziellen Unterstützer zu zeigen,
dass das Projekt läuft. Die Bauhülle reicht ja nicht, wenn es nicht bespielt wird.
Der Effekt wird ja nur in Kombination erreicht.“

Besonders beeindruckend war der Einsatz der Ehrenamtlichen, die organisatorische Arbeiten und die Besorgung dringend benötigter Dinge übernahmen, um das Projekt voranzutreiben. Beispielsweise leistete Christopher Willing seine Arbeit als Bauingenieur und Bauherr ehrenamtlich und sorgte dafür, dass die Sanierung auch auf fachlicher Ebene perfekt umgesetzt wurde. Ein wichtiger Aspekt den Zuschlag für die Finanzierung zu erhalten war jedoch eine klare Trennung der Gewerke von ehrenamtlich geleisteter Arbeit. Dies diente auch in der Planung bereits der gezielten Verwendung der Fördermittel. Von der statischen Verstärkung des Dachstuhls bis hin zur Restaurierung der Fassade wurde jedes Detail sorgfältig geplant und umgesetzt. Diese transparente Organisation war essenziell für den Erfolg des Projekts.

Die Bedeutung des Netzwerks und der Kooperationen für die Synagoge

„Das Netzwerk muss größer sein als das,
was Sie unbedingt brauchen.“

Die Bauzeit von 2020 bis 2022 erwies sich unter den schwierigen Bedingungen der Corona-Pandemie als Herausforderung. Dank eines starken Netzwerks und guter Kooperationen konnte das Projekt dennoch erfolgreich umgesetzt werden. Einzelnen Akteur*innen kam dabei eine entscheidende Rolle zu, wie dem mehrfach erwähnten Christopher Willing, der als Diplom-Ingenieur für Siedlungswasserwirtschaft mit der Konzeptionierung und Umsetzung von Projekten bereits vertraut war. Zudem wurde das Projekt durch Architekten, verschiedene Baugewerke, die LEADER-Region Mittleres Fuldatal und die Stadt Felsberg entscheidend unterstützt. Ohne ihren Beitrag wäre das Vorhaben nicht realisierbar gewesen. Unterstützung kam etwa von der Regionalmanagerin Marion Karmann (v. a. in Bezug auf Fördermittel) sowie Prof. Dr. Peer Zietz vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Dessen plötzlicher Tod zeigte jedoch, wie schnell sich Bedingungen ändern können und wie wichtig verlässliche Partner sind. Der Erfolg des Projekts beruhte letztlich nicht nur auf fachlicher Kompetenz, sondern vor allem auf Kooperation und Vertrauen. Dies bestätigte sich während des gesamten Prozesses immer wieder.

Fortschritt nicht ohne Herausforderungen

Immer wieder ergaben sich im Laufe der Arbeiten und auch nach der Fertigstellung unerwartete Schwierigkeiten, so zum Beispiel bezüglich der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen. Die Diskussionen mit Polizei und Stadt über die Sicherheitstechnik waren langwierig, vor allem, da der Einbau einer Schleuse und einer Alarmanlage den Verein vor technische und praktische Herausforderungen stellte. Zudem sorgen die Wartungskosten für die Alarmanlage noch immer für Unsicherheit. Ungeklärt ist nämlich, wer die Kosten in Höhe von 12.000 Euro jährlich für die Wartung der Alarmanlage übernimmt.  

Auch in anderen Fällen liefen die Dinge nicht immer wie geplant. So vielen die Kosten für das Abschlagen des alten Putzes höher aus als erwartet, weshalb man sich beim Verputzen für einen kostengünstigeren Lehmputz entschied. Bei der Erarbeitung des Wärmekonzepts sahen sich die Planer*innen ebenfalls mit einem Problem konfrontiert. Die eingebaute Wärmepumpe wiederum erwies sich als nicht optimal, was dazu führte, dass im ersten Jahr viele Räume nicht ausreichend geheizt werden konnten. Die Frage nach geeigneten Möbeln für die Bibliothek bereitete ebenfalls Kopfzerbrechen. Ein Schrank aus dem Möbelhaus war keine Option, weil er nicht in den Raum passte und ein passendes Möbelstück zu finden, das auch bezahlbar war, stellte sich als ebenso schwierig heraus. Aber auch weitere innengestalterische Entscheidungen, wie die Gestaltung der Tora-Nische und des Tora-Schreins oder die Abhängung und Gestaltung der Synagogendecke inklusive des dazugehörigen Leuchters stellten kleinere Hürden dar.

Trotz der Schwierigkeiten konnte das Projekt in allen Bereichen vorankommen und meisterte die Hürden. Besonders bemerkenswert ist, dass keine Zwischenfälle oder größeren Gegenreaktionen aus der Bevölkerung zu verzeichnen waren. Auch die Zusammenarbeit mit der muslimischen Gemeinde verlief positiv, was das Projektteam auch heute noch mit Zufriedenheit erfüllt.

Innenraum der Synagoge Felsberg

Große Resonanz und reges Interesse als Lohn für die harte Arbeit

Die Wiederbelebung der alten Synagoge hat einen bemerkenswerten Zuspruch gefunden, auch wenn nicht alle von Anfang an überzeugt waren. Während der Eröffnungsfeier im Jahr 2022 berichtete die Stellvertreterin des Landrates, dass sie das Projekt anfangs für unrealistisch gehalten habe, aber nach der Umsetzung tief beeindruckt sei. Diese Wandlung zeigt, wie wichtig die visuelle und atmosphärische Gestaltung des Gebäudes ist. So erschien die Synagoge während der Sanierung nur wie ein Wohnhaus, sodass nun vielfach gefragt wird, ob sie neu gebaut worden sei. Besonders positiv ist die wachsende Zahl von Schulklassen, die das Gebäude besuchen und Führungen nachfragen. Dies verdeutlicht, wie bedeutend das Projekt mittlerweile für die Region geworden ist – auch als Lernort.

„Es gab sehr wohl Leute, die hier drin waren und sagten ‚Mensch, ich habe da mein Bier getrunken und da habe ich gesessen – der Hammer, was ihr da jetzt draus gemacht habt.‘“

Das Projekt ist jedoch nicht nur eine architektonische, sondern auch eine kulturelle Erfolgsgeschichte. Jährlich werden rund 15 Kulturveranstaltungen für die Gemeinde organisiert, die weitgehend kostenfrei angeboten werden. Diese Veranstaltungen tragen zur kulturellen Vielfalt bei und fördern auch das Gemeinschaftsgefühl. Der Verein hat es geschafft, die Unterstützung der Stadt zu gewinnen, auch wenn es anfangs Bedenken hinsichtlich der Kosten gab. Besonders interessant ist die Wirkung auf das lokale Umfeld. Herr Willing betont, dass durch die Renovierung des Gebäudes auch andere Eigentümer*innen begonnen haben, ihre Häuser zu sanieren und auch weitere Projektideen umgesetzt wurden. Die Restaurierung und Wiedernutzung der Synagoge hat somit einen positiven Dominoeffekt ausgelöst.

Heute ist die Synagoge nicht nur ein Symbol jüdischer Kultur, sondern steht auch für Gemeinschaft und Engagement. Die denkmalgerechte Restaurierung macht das Gebäude weit über die Grenzen der Kleinstadt hinaus erlebbar. Das Projekt zeigt, wie historische Bauwerke durch neue Nutzungskonzepte wiederbelebt werden können. Die Synagoge ist nicht nur ein Ort für Gottesdienste, sondern ein kultureller Treffpunkt, der Bildung und Begegnung fördert.

Die Botschaft des Projektes ist klar: Mit einer starken Vision, langem Atem und der Unterstützung der Gemeinschaft kann der Erhalt historischen Erbes gelingen und die wiedererstandene Synagoge ein Symbol für Integration und den Erhalt jüdischer Geschichte sein.

Schwalm-Eder-Kreis

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